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So kreativ ist die Jugend

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„Das Talent ist ein aufgeweckter Junge. Die Persönlichkeit schläft lange, erwacht von selbst und gedeiht darum besser.” Dieser Aphorismus von Karl Kraus läßt auch noch rund siebzig Jahre nach seiner Niederschrift viele Bemerkungen, die zum Thema „Kreativität der Jugend” gefallen sind und fallen werden, blaß erscheinen.

So möge er der Besprechung des vorige Woche überreichten „Großen österreichischen Jugendpreises 1980” der Ersten österreichischen Spar-Casse vorangehen.

Den wertvollsten Preis, einen Peugeot 104 GL im Wert von 90.000 Schilling gewann eine Arbeitsgemeinschaft für soziale Dienste: die Gruppe C. Ihre Aktivitäten bestehen zunächst im Aufsuchen alter und zum Teil chronisch kranker Menschen und dann im so schlichten, aber wertvollen Mitleben-Lassen! Die Mitglieder, inzwischen auf neunzig angewachsen, organisieren Stadtbesichtigungen, fahren mit den Leuten insGrüne, laden siezum Mittagessen nach Hause ein; als das große Ziel beschreibt Sepp Messner, der Obmann der Gruppe C, die Ausweitung dieser unpolitischen und überkonfessionellen Gemeinschaft auf ganz Österreich.

Eine für so manche Erwachsene „unliebsame” Idee hat der 17jährige Stefan Riedl aus Wien: Er möchte ein großes Jugendzentrum mitten in Wien installieren. Er denkt dabei an das derzeit leerstehende, ehemalige Kulissendepot der Bundestheater hinter dem Theater an der Wien. Stefan arbeitete genaue Pläne zur optimalen Ausnützung dieses Bauwerks aus, in denen er u. a. die Errichtung von Theater- und Kinosälen, Kaffeestuben und einer Herberge vorschlägt. Die Verwirklichung dieser „engagierten Darstellung” - so die Fachjury -jedoch dürfte erst das eigentliche Problem bilden.

Daß die heutige Jugend sehr interessiert an der Gestaltung ihrer Umwelt ist, läßt die große Anzahl an Einsendungen zu der Kategorie „Umwelt und Lebensqualität” erkennen.

So machen sich die jungen Leute Gedanken über die Situation in ihren Wohnbezirken, geben Vorschläge zum Energiesparen, beobachten Vorgänge in der Natur und warnen vor der zunehmenden Umweltverschmutzung. In Zusammenarbeit mit der österreichischen Naturschutzjugend erreichte ein Preisträger, daß das Gebiet um den Mauerbach unter Naturschutz gestellt wird. Prof. Otto Koenig lobte nicht nur die Idee als solche, sondern auch die praktische Durchführung.

Ein Problem, das zwar die geschäftigen Hirne der Erwachsenen beschäftigt, aber anscheinend erfolglos, wollen manche Jugendliche schon gelöst wissen: die Benzinkrise oder die bessere Ausnützung des Kraftstoffes. Rainer Schildberg entwickelte vollkommen eigenständig ein Prinzip, „dessen Ergebnisse diskussionswürdig sind” (Juror Dr. Fiala). Der Techniker stellte Uber-legungen zur Verbesserung der Ein-spritzanlagen bei Motoren an. 20.000 Schilling und eine Studienreise zu einem Mobilwerk waren seine Bemühungen der Jury wert.

Die Auswahl aus der Kategorie „Kunst, Literatur und Musik” bereitet Schwierigkeiten, weil gerade auf diesem Gebiet die Frage des Geschmacks Wertungsmaßstäbe setzt, um die wir nicht herumkommen. Besonders erwähnenswert: eine außergewöhnliche, hervorragend gezeichnete Comic-Serie mit Text eines Fünfzehnjährigen, der technisch ausgereifte Film „Ich glaube an die Freiheit”, ein Ton-Farb-Spiel-film eines 16jährigen Niederösterreichers zum Verstehen der Situation der heutigen Jugend; ferner die beachtenswerten Klavierkompositionen eines 13jährigen Musikstudenten sowie die Entdeckung zweier „Jung-Qualtin-gers”, die satirische Dialoge aus dem Wiener Milieu verfaßten.

Der höchste Preis für Lyrik wurde dem 17jährigen Schüler Joseph Spatt aus Wien zuerkannt. Jurymitglied Hans Weigel hob die über dem Durchschnitt liegende Begabung, ausgeprägtes Sprachgefühl und dichterisches Talent des jungen Mannes hervor (siehe nebenstehende Kostprobe).

Was ich in den meisten Zeitungen vermisse, finde ich in der FURCHE: christlichen Geist und christlichen Mut.

WILHELM MÜLLER

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