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Ökologie kann sich nicht in nachträglichen, oft recht kostspieligen Umwelt-Reparaturen erschöpfen. Wissenschaftler, Ingenieure und Wirtschaftsfachleute müssen daher Umweltschutz im voraus in Produktion und Konsum einplanen, was für Unternehmen durchaus von Vorteil sein kann. Ein brauchbares Hilfsmittel bei der Suche nach Schnittstellen zwischen Ökonomie und Ökologie ist die Ökobilanz.

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Ökologie kann sich nicht in nachträglichen, oft recht kostspieligen Umwelt-Reparaturen erschöpfen. Wissenschaftler, Ingenieure und Wirtschaftsfachleute müssen daher Umweltschutz im voraus in Produktion und Konsum einplanen, was für Unternehmen durchaus von Vorteil sein kann. Ein brauchbares Hilfsmittel bei der Suche nach Schnittstellen zwischen Ökonomie und Ökologie ist die Ökobilanz.

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Unternehmer, die sich dem Umweltschutz verschrieben haben, sind nach wie vor dünn gesät. Doch die Sache gewinnt an Eigendynamik. Idealistische Gründe für das aufkeimende Gründenken gibt es dabei nicht, viel eher schon zeigt der ständige zermürbende Druck der öffentlichen Meinung - die mißbilligenden bis abfälligen Bemerkungen der Kinder zu Hause nicht ausgenommen - seine Wirkung. Dazu kommen noch die Umweltprobleme im Betrieb: Ökoabgaben auf Abwasser, Energieeinsatz und Abfallentsorgung schweben wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Verantwortlichen.

Verschieden sind die Reaktionen der Unternehmer auf diese ökologische Herausforderung. Während sich die einen mit reiner Schadensbekämpfung herumschlagen, passen sich andere den umfangreichen neuen Umweltvorschriften an. Fortschrittliche Unternehmen gehen aber über die reine Reaktion oder Anpassung hinaus und verfolgen eine Strategie der Prävention und der Innovation. Sie entdecken dabei, daß aktiver Umweltschutz Vorteile bringt. Ein brauchbares Instrument, um Energieverlusten, Recyclingmöglichkeiten und Abfallproblemen auf die Spur zu kommen, scheint die Ökobilanz zu sein. Wie diese funktionieren soll, erklärte Christine Jasch, Leiterin des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). □ Den Ausgangspunkt bildet die In-put-Output-Bilanz des Betriebes. Einerseits werden die betrieblichen Inputs nach Stoffen und Energien getrennt dargestellt. Auf der Outputseite werden die Produkte und die stofflichen und energetischen Emissionen erfaßt. Dabei werden auch die Nebenprodukte, Abfälle und Verluste von Stoffen und Energien in die Be-, rechnung einbezogen. Abfall, der wiederverwertet oder verkauft werden kann, wird in der wertökonomischen Bilanzrechnung erfaßt. Recyclingmöglichkeiten werden dabei aufgespürt.

In der Prozeßbilanz kommen die betriebsspezifischen Abläufe unterdie Lupe. Die einzelnen Produktschritte werden ebenfalls nach einem Input-Output-Schema bewertet. Verfahren, die den Ansprüchen der Kreislaufwirtschaft entsprechen, zeichnen sich dabei durch besonders geringe Stoff- und Energieströme aus, was sich in der Ökobilanz positiv zu Buche schlägt.

□ Die Produktbilanz schließlich bewertet das Produkt nach Verlassen des Betriebes über die gesamte Lebensdauer hinweg. Damit sollen alle ökologischen Probleme erfaß werden, von de Gewinnung de Rohstoffe fii die Ware übe den Konsun bis hin zur Be seitigung ode Wiederverwer tung.

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Alle diese er hobenen Datei - Stoff- unc Energieeinsatz entstanden! Produkte, stoff liehe und nich stoffliche Emissionen, sowie grundlegende Eingriffe in die Natur - fließen als Geldwerte in die Bilanz des Unternehmens ein.

Die Theorie präsentiert sich logisch. In der Praxis gibt es jedoch einige Schwierigkeiten. Es fehlt ein Bewer-tungskodex, der festhält, welche Stoffe überprüft und wie sie bewertet werden sollen. An so einem Bewertungskodex arbeitet das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung.

Musterschüler Ein Unternehmen, das schon früh erkannt hat, daß jahrelanger, gedankenloser Umgang mit der Natur seine Konsequenzen hat, ist die Firma Römerquelle. Dieser Betrieb, der von der Natur lebt, ist davon überzeugt, daß es sich mit der Natur noch besser leben läßt. Deshalb praktiziert das Unternehmen einen geschlossenen Produktionskreislauf, bei dem der gesamte Abfall wiederverwertet wird. Neben dem Recycling der Kunststoffverschlüsse und der Flaschenetiket-len wird das hausgemachte Schmutzwasser in einer eigenen Kläranlage gereinigt. Seit 1990 ist eine Wärmerückgewinnungsanlage in Betrieb -Kosteneinsparungseffekt: 40 Prozent weniger Heizöl wird benötigt.

Schon seit 1986 legt Römerquelle als erstes Unternehmen Österreichs eine jährliche Umweltbilanz vor, und die Zahlen, Daten und Fakten aus der Beziehung zur Umwelt schlagen bereits seit 1988 positiv zu Buch. Umweltschutz dersich lohnt - in jeder Hinsicht. Um eine echte Ökobilanz handelt es sich jedoch nach Ansicht der Öko-Expertin Jasch dabei nicht: „Die Buchhaltung müßte zum Beispiel auch genau erfassen, wieviel Lösungsmittel eingekauft wurden, was ordnungsgemäß entsorgt wurde und wieviel davon vielleicht irgendwo verdampft ist."

Ein weiteres Beispiel ist die Firma Biopac, Hersteller von biologisch vollständig abbaubarer Verpackung. Die Grundsubstanz der „eßbaren"

Umhüllung besteht zu 90 Prozent aus Stärke, gewonnen aus nachwachsenden Rohstoffen, etwa landwirtschaftlichen Überschußprodukten wie Kartoffel, Weizen und Mais. Eine umweltfreundliche Herstellung und die funktionsgerechte Verwendung des Produktes bis hin zum raschen biologischen Abbau ist beispielhaft für einen geschlossenen Produktkreislauf, ganz im Sinne der Natur. Einziger Haken bei der Sache: Die verdaubaren Hüllen liegen manchen Unternehmern wegen der höheren Preise im Magen. Berechnet man jedoch die • volkswirtschaftlichen Kosten unserer Müllberge, ist das Produkt wirtschaftlich.

Nach Meinung des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung könnte in absehbarer Zeit der„Faktor Ökologie" in die ganz normale Buchhaltung einfließen - zumindest bei größeren Unternehmen sowie darüber hinaus bei Betrieben, die gefährliche Stoffe verarbeiten.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Umweltministerin Ruth Feldgrill-Zankel: „In einem ökologisch orientierten Betrieb ist es unerläßlich, neben den betriebswirtschaftlichen Bilanzen auch eine Ökobilanz zu erstellen,denn ein ökologischer Betrieb muß über seine umweltrelevanten Auswirkungen Bescheid wissen."

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