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Von der Arbeitnehmerseelsorge hin zur Betriebsseelsorge

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Mit dem Thema „Unternehmer und Kirche“ befaßte sich die jüngst abgehaltene Jahrestagung des Verbandes Christlicher Unternehmer Österreichs (VCUÖ), in dessen Mittelpunkt ein Referat des Linzer Weihbischofs Alois Wagner über die Betriebsseelsorge stand. Ein Thema, das sicherlich über den Kreis der christlichen Unternehmer aus allen Diözesen Österreichs hinaus auch viele engagierte Christen interessiert.

Ausgehend vom allgemeinen Seelsorgsauftrag der Kirche in allen Lebensbereichen ist nach Ansicht von Wagner jeder Christ eingeladen, die Planung und die Durchführung der Seelsorge mitzumachen. In diesem Sinne heißt es auch in der Pastoral- konstitution (63), daß „auch im Wirtschaftsleben die Würde der menschlichen Person und ihre ungeschmälerte Berufung wie auch das Wohl der gesamten Gesellschaft zu achten und zu fördern sind, ist doch der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft.“

Daher sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Betrieb eine Werkgemeinschaft darstellen und so gemeinsam die Anliegen des Betriebes, also auch die Betriebsseelsorge verantworten. Das Anliegen der Kirche sei nun darin zu sehen, daß im Ausmaß der Möglichkeiten und der gegebenen Situation im Betrieb Seelsorge wirklich allen zuteil wird und daß religiöse Probleme und Fragen nach den Grundwerten mit den Betriebsangehörigen besprochen und gemeinsam in die Tat umgesetzt werden^ Jeder Christ, vor allem der christliche Unternehmer, sollte Vorschläge bringen, wie die Betriebsseelsorge durchgeführt werden soll und kann, wobei Betriebsseelsorge nicht einseitig als Arbeitnehmerseelsorge verstanden werden sollte.

Nach den Erfahrungen des Linzer Weihbischofs finden die für die Betriebsseelsorge freigestellten Geistlichen im allgemeinen raschen und guten Zugang zu den Betriebsangehörigen, wobei sie sich mit den Arbeitnehmern nicht zuletzt deshalb recht gut verständigen können, da die gewisse Scheu, die manche Arbeitnehmer vor dem Gespräch mit dem Unternehmensleiter haben, wegfällt.

Ausdrücklich hob Weihbischof Wagner hervor, der Betriebsseelsorger dürfe sich nicht in die Rolle des Interessenvertreters drängen lassen. Daher dürfe er nicht in erster Linie die Interessen einer bestimmten Gruppe im Betrieb vertreten, weil sonst die Gefahr bestünde, daß sich der Geistliche auf die Seite der oft nur scheinbar Schwächeren stellt und schließlich als eine Art zusätzlicher Betriebsrat agiert.

Die Unternehmer sollten grundsätzlich die Voraussetzungen schaffen, daß Betriebsseelsorger im Betrieb aus- und eingehen, Versammlungen mit der Belegschaft durchführen und über alle parteipolitischen und betrieblichen Gruppierungen hinweg Kontakte aufnehmen können - also in das betriebliche Geschehen möglichst integriert werden. Der Betriebsseelsorger sollte ein im Betrieb Stehender, für den Betrieb Wirkender, aber das betriebliche Leben nicht Dirigierender sein.

Für die konkreten Formen der Be-' triebspastoral ist neben dar Schaffung eines Referates für Betriebsseelsorge in jeder Diözese wesentlich, daß sich Mitarbeiter als Christen innerhalb und außerhalb der bestehenden Strukturen für den Aufstieg der Arbeitnehmerschaft engagieren. Die Christen sollten sich für Gerechtigkeit und Freiheit, für soziale Liebe und Wahrheit, als einzelne und in Gruppen, im Betrieb, in der eigenen Partei und in der Gewerkschaft einsetzen - unabhängig davon, wo sie parteipolitisch stehen.

Betriebspastoral will mit allen ins Gespräch kommen, um auch Gesprächspartner für alle zu werden und um Kirche in all diesen Gruppen entstehen zu lassen. Betriebsseelsorge soll aber auch bestehende Interessengegensätze ernst nehmen und aufgreifen und für die daraus entstehenden Konflikte christliche Lösungsversuche anbieten.

Betriebspastoral sieht den Menschen als „Träger, Schöpfer und Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen“ (Mater et magistrą) und als „Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft“ (Gaudium et spes). In der Betriebsseelsorge, so wurde bedauert, sei die Pastoral für Unternehmer und leitende Angestellte bisher zu kurz gekommen.

Mit einem Appell im Sinne einer vom Weltverband christlicher Unternehmer erstellten Resolution schloß Wagner seine Ausführungen. Es gehe ihm darum, eine Formel zu finden, nach der katholische Arbeitnehmer und Unternehmer ausgehend von ihrer gemeinsamen geistigen Grundlage, der katholischen Soziallehre, auf die Gestaltung und Humanisierung der Arbeitswelt hinarbeiten und damit eine Orientierung für die Betriebspastoral schaffen. Aufgabe der Betriebspastoral wäre es dann, von der einseitigen Arbeitnehmerseelsorge auf eine im umfassenden Sinne auf der Grundlage der Botschaft Jesu verstandene Betriebsseelsorge überzugehen.

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