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Warum kommen fast nur Kommunisten zu Wort?

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Gemäß dem Volksgruppengesetz 1976 müssen beim Bundeskanzleramt Volksgruppenbeiräte eingerichtet werden, die das kulturelle, soziale und wirtschaftliche Gesamtinteresse der jeweiligen Gruppe zu vertreten haben. Für den tschechischen Beirat sind acht Mitglieder vorgesehen, wobei vier „von einer Vereinigung vorgeschlagen werden, die ihrem satzungsmäßigen Zweck nach Volksgruppeninteressen vertritt und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ ist“. Da sich aber um diese vier Plätze ungefähr 30 Vereine unterschiedlichster Größe mit divergierenden Weltanschauungen bewerben, gestaltet sich die Bestellung der Beiräte äußerst schwierig.

Die unbestritten größte Gruppe stellt mit 5000 Anhängern der „Minderheitsrat“ dar, der Dachverband von 16 kleineren Organisationen (religiöse, Sport- und Volkstumsvereine), die zum Teil der ÖVP, zum Teil der SPÖ nahestehen. Nach den Worten des Obmanns, Anton Nekovär, wollen die im Minderheitsrat vertretenen Tschechen „loyale österreichische Staatsbürger sein“..

Bei der „Volkszählung besonderer Art“ war es der Minderheitsrat, der durch Kampagnen und Plakate für hunderttausende Schilling die Organisatoren erst auf die Existenz der tschechischen Minderheit „aufmerksam“ machte. Denn auf den Stimmzetteln gab es keine Rubrik „Tschechisch“, was die Abstimmung für viele alte Leute erschwerte. Trotzdem konnte durch die Aktivitäten des Mindes-heitsrates mit Unterstützung einiger Politiker viel für die österreichischen Tschechen erreicht werden.

Neben dem Minderheitsrat traten bald andere Minderheitsgruppen auf den Plan; so die „Vereinigung der Tschechen und Slowaken in Österreich“, die größte jener Organisationen, die als die „acht befreundeten Gruppen“ auftreten. Sie stimmte in die damals großangelegte Propaganda zum Boykott der „Minderheitszählung“ ein..

Heute sind es jene Gruppen, die seinerzeit gegen die Volkszählung opponierten, die sich nun „ins gemachte Nest setzen“ wollen (Nekovär): Die „Gruppe der Acht“ sowie der „Kulturklub der Tschechen und Slowaken“ und der „Bibliotheksverein Jirasek“

beanspruchen drei der vier Volksgruppenbeiratsmandate. Mit Mitgliederzahlen sind diese Gruppen vorsichtig: Der Obmann der „Vereinigung“, Brozäk, will darüber nichts sagen, außer daß „die Acht“ zumindest die Hälfte der Minderheit vertreten. Der Minderheitsrat schätzt sie aber auf höchstens hundert Mitglieder.

Die „Gruppe der Acht“ besteht nach Meinung Nekovärs aus „reinen Kommunisten“, und der „Kulturklub“, der sich zum Großteil aus den Flüchtlingen des Jahres 1968 rekrutiert, „sagt nichts gegen die Kommunisten, weil sie auch welche sind, nur eben andere“. Der Leiter des Schulvereins „Ko-menski“ (auch in der „Gruppe der Acht“), Blazek, sieht dies folgendermaßen: „Wir wollen freundschaftliche Beziehungen zwischen Österreich und der CSSR; wir können doch nicht verlangen, daß die Tschechen ihre Heimat beschimpfen.“ Was aber bedeutet, daß die Abonnenten seiner Zeitung Visa in die CSSR bekommen, die Minderheitsratsfunktionäre aber angeblich nicht?

Daß sich Bruno Kreisky beim jüng-

sten Treffen „sehr freundlich“ (Brozäk) gab, veranlaßte den zu Hause gebliebenen Minderheitsrat, dem Kanzler einen Protestbrief zu schicken, in dem auf die mehr als 150jährige Tradition („Tschechische Hilfsarbeiter bauten die Staatsoper und alle Ringstraßenbauten“) und die Vertretung von 90 Prozent der österreichischen Tschechen hingewiesen wird. Der Brief soll dem Bundeskanzler Informationen bieten: „Alle Länder der Welt wären froh, eine solche demokratische Minderheit wie die Tschechen in Österreich zu haben“, meint Nekovär. Unterschwellig läßt der Minderheitsratobmann den Vorwurf der Begünstigung der Kommunisten anklingen.

Die Mehrzahl der Angehörigen des Minderheitsrates ist über den Entschluß des Bundeskanzlers, ihnen nur einen Sitz im Volksgruppenbeirat zur Verfügung zu stellen, empört. Zudem fühlen sich die den Minderheitsrat zu etwa 50 Prozent tragenden SPÖ-An-hänger von Kreisky auch parteipolitisch geprellt. Nekovär: „Bei der nächsten Wahl wird sich das sicher auswirken.“

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