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Was sagt die Kirche dazu?
Vor wenigen Tagen brachten Zeitungen eine Meldung: „Kirche berät über Waffenhändler.“ Beim näheren Hinsehen erwies es sich, daß ein hartnäckiger Reporter so lange einem Bischof mit Fragen zugesetzt hatte, bis er eine Meldung und die Zeitung ihre Schlagzeile hatte. Für die Zeitungen war die Meldung attraktiv genug, in einer Zeit, wo es fast täglich Meldungen über geplante, durchgeführte, nicht geplante, nicht durchgeführte österreichische Waffenlieferungen gibt.
Ohne dem Wahrheitsgehalt einer solchen Meldung auf den Grund zu gehen, scheint sie doch sehr symptomatisch zu sein für eine gewisse Einstellung der Kirche gegenüber. Die Kirche wird als eine Art Kraft in Staat und Gesellschaft gesehen, nach den Parteien, nach Kammern und Gewerkschaftsbund, als eine fünfte oder sechste Kraft, die man um ihre Meinung zu diesem oder jenem Problem befragen kann; eine Kraft, die, so meint man, ohnedies gerne aufzeigt, damit man auf sie aufmerksam wird und die noch dazu den Vorteil hat, so naiv zu sein, daß sie es meist gar nicht spürt, wenn man sie mit vorgegebenem Interesse aufs Eis führt.
So wird also die Kirche befragt, was sie von diesem oder jenem halte, von der Fünf-Tage-Schulwoche, von der Sommerzeit, von Kernkraftwerken, vom Umweltschutz. Es soll sogar Reporter geben, die partout die Meinung des Kardinals zum Ausgang eines Fußball-Länderspiels hören wollen. Dies alles begründet mit dem Recht der Öffentlichkeit, die Meinung der Kirche, eines Bischofs oder der Bischofskonferenz zu aktuellen Erscheinungen oder Vorfällen zu hören.
So etwas gibt es. Es gäbe es aber nicht, wenn nicht viele auch auf seiten der Kirche bei diesem Spiele gerne mitspielten, die sogar stolz sind, auf diese Art Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Nicht nur Programme und Resolutionen werden in Hinblick darauf erstellt, auch manche Karrieren werden so aufgebaut.
Die Kirche als gesellschaftliche Kraft. Einmal war sie davon überzeugt, eine societas perfecta zu sein, wie der Staat. Heute, wo der perfekte Staat in Mißkredit gekommen ist, will sie zumindest eine gesellschaftliche Kraft sein, keine große zwar, aber immerhin auch eine. Haben die anderen ihre „Anliegen“, so hat auch sie ihre „Anliegen“; haben die anderen ihre
Ideologien, könnte sie auf ihre eigenen hinweisen. Und darüber kann man diskutieren. Die Katholiken diskutieren mit allen, mit Sozialisten, mit Liberalen, mit Freiheitlichen, mit Gewerkschaftern. Und wie es bei solchen Spielen eben ist, es werden Koalitionen eingegangen und gelöst, Freund- und Feindbilder gehegt und gepflegt. Dabeisein, aufzeigen, mitspielen dürfen, das ist das Wichtigste. Katholisch- das übersetzte man einmal mit allgemein, umfassend. Heute wollen die Katholiken anscheinend immer mehr ein sehr profilierter Teü sein, Teü eines Teiles, separiert, abgesondert, abweisend. Auch dafür gibt es eigentlich einen Namen: Sekte.
Um Kritikern das Schreiben von Leserbriefen zu ersparen, sei zugegeben, daß ein solches Büd der Kirche maßlos überzeichnet ist. Aber manchmal muß man überzeichnen, um Konturen sichtbar zu machen. Diese Kirche gibt es sicher nicht. Oder vielleicht doch? Als Möglichkeit, als Ansatz, als Gefahr? Wie sie sich die Kirche wünschten, daraufhin untersuchte kürzlich eine Zeitschrift die Vorstellungen junger Menschen. Ärmer, demokratischer und noch mehr um den Menschen bemüht, war die Antwort. Kirche lebt in den Herzen einer brüderlichen Gemeinde, Gott und den Menschen dienend. Wenn sie weiß, daß sie das ist, kann sie auch eine Spielwiese sein für gesellschaftliche und politische Ambitionen, ein Zettelkasten mit vorbereiteten Antworten auf alle nur möglichen Fragen. Wenn sie nur weiß, daß es darauf letztlich nicht ankommt.
Die „Randbemerkungen eines engagierten Christen“ geben die Meinung des Autors wieder. Sie muß sich nicht in jedem Fall mit der Linie der FURCHE decken.
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