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Wen die Kunstmaschinen entrücken...

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Unter den Italienern der mittleren Generation zählt Giuseppe Zigaina zu den mit internationalen Ausstellungen, Biennaleruhm, Auszeichnungen und Preisen am meisten verwöhnten Künstlern. Seitenlang gibt der Katalog die Ausstellungsbeteiligungen an, die von Sao Paolo bis Moskau, von Messina bis Kopenhagen, Toronto und Berlin und von London bis New York reichen. Jetzt stellt die Wiener Galerie Würthle das Werk des eigenwilligen Friulaners in einer sehr charakteristischen Auswahl vor: einige der wichtigen Ölbilder, vor allem aus dem „Re-dipuglia“-Zyklus, Fettkreidezeichnungen, Radierungen ... Ein Werk, in dem „Anatomisches“ den Hauptplatz einnimmt.

Anatomie hat freilich für Zigaina nichts mit deren landläufiger Bedeutung zu tun: Seine .Anatomien“, wie er fast die Hälfte aller seiner Arbeiten nennt, sind Bilder eines Verfahrens. Destruktionen. Bilder des Todesgedankens. Kritische Analysen, wie wir sie in der Lyrik Pasolinis finden, der -ebenso wie Guttuso - Zigaina nahestand und mit ihm zusammenarbeitete. Pasolinis kritisches Sezieren von Zuständen, das oft in scharfe Aggression umschlug, ist aber bei Zigaina, dem malerisch perfekten Ästheten mit dem feinen Gespür für Farbenwerte, poetisch gemildert. Er entscheidet sich immer wieder für die schöne Glätte der Oberfläche, für die Italianitä farblicher Instrumentierung, oder, in seinen Radierungen, für die Eleganz des Linienspiels, das die Demontage von Kopfhälften, die. Vögel im Gras oder das Sterben gefangener Falter, vor allem also Idas sogenannte Häßliche, zu einem zeichnerischen Problem macht.

Körper zu zerlegen und nachzuforschen, was das Geheimnis dieses Konstruktionsgebildes Mensch ist, dem Mechanismus des Falters oder des Vogels auf die Spur zu kommen, fasziniert ihn. Aber Zigaina ist kein kalter Rationalist, der dem Betrachter den Trümmerhaufen zerstörter Existenz vor die Füße wirft. Er arrangiert die Überbleibsel behutsam, mit sicherem Geschmack, mit dem Empfinden des Menschen aus Friaul, der mit den kostbaren, gebrochenen Farben lebt. Und das gibt vor allem seinen Ölbildern den großen Reiz. Es macht sicher zu einem Gutteil auch ihren enormen Erfolg bei Sammlern aus.

Seit Jahren arbeitet Cornelius Kolig, Enkel des berühmten Malers Anton Kolig, an seinen Maschinen und Objekten, die nicht bloß ästhetisch-originelles Kunstwerk sein wollen, sondern auch dem Betrachter Reizimpulse vermitteln. Be-greifen, be-sitzen, fühlen und spüren... Das ist es, was der

37jährige Kärntner Kolig vermitteln will. Denn Kunst hat für ihn vor allem eine stark sinnliche Qualität, die er bei sovielen Arbeiten seiner Kollegen verkümmert sieht.

„Tactiles 1968 bis 1978“ nennt er seine repräsentative, ungemein originell arrangierte Ausstellung im Wiener Künstlerhaus: ein Reich der Apparaturen, ein Arsenal, angesiedelt zwischen Kafkas Strafkolonie und bizarren Todesmaschinen, mit Apparaten, die technisch das ermöglichen, wovon früher Künstler geträumt haben: durch Reizmodulatoren den Menschen stimulieren zu können.

Pongratz hat das in expressivem Farbengestrichel skizziert, Hollein und Pichler haben sich davon zu einigen ihrer besten Zeichnungen inspirieren lassen, ja schon Dadaisten und Surrealisten träumten stets von der Maschine, die dem Menschen das ganze Zauberreich unbekannter Empfindungen erschließen könnte. Kolig hat das nun gebaut. Hingreifen, auf ein Bett legen, in einem Fauteuil gemütlich Platz nehmen, angeschlossen werden ... schon kann man in wohligem Rieseln baden, schon kennen Strom oder Wasser mithelfen, Verkrampfungen zu lösen, den in täglichem Streß Verkrampften in ein Paradies schwerelosen Wohlbefindens zu entrücken.

Und das ist eigentlich eine letzte Konsequenz uralten Kunstdenkens: Kunstobjekte, die positiv stimulieren, die im wahrsten Sinn des Wortes mitreißen, die ent-rücken. Da hat Kolig in seinen formschön erdachten, in bestem Design ausgeführten Objekten einen Weg gewiesen, der der Kunstrezeption in Hinkunft noch manche Anregungen geben könnte.

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