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Wenn die Welt war ,made in A' vorwärts ging, immer dabei

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Wer, wie wohl die meisten Mitmenschen, nur den Markt der Konsumgüter zu Gesicht bekommt, gewinnt nun leicht den Eindruck, daß es Innovationen erst in allerjüngster Zeit gab und daß sie meist aus dem fernen Osten, allenfalls auch aus den USA kommen.

So groß ihre wirtschaftliche Bedeutung auch sein mag, stellt jedoch die Sparte der Konsumgüter nur einen Teil technischer Welt dar. Betrachtet man die Technik in ihrer Gesamtheit über einen längeren Zeitabschnitt, so ergibt sich ein völlig anderes Bild:

Schon zur Zeit des römischen Imperiums verstand man in der

Steiermark, Eisen besonderer Qualität herzustellen. Welche Innovationen zu dieser wirtschaftlichen Spitzenposition führten, ist leider nicht überliefert. Immerhin war der Vorsprung so groß, daß die Cäsaren ihre Legionen ausschließlich mit „Schwertern aus Noricum“ ausrüsteten.

Im ausgehenden Mittelalter entwickelten Tiroler Handwerker ein Härteverfahren, das, dem damaligen Bedarf entsprechend, vorwiegend bei der Herstellung von Ritterrüstungen zum Einsatz kam. Der Schraubstock, auch heute noch aus keiner Werkstatt wegzudenken, kam in jener Epoche in der Steiermark auf.

Die erste urkundlich festgehaltene Innovation aus Österreich ist das Ziehwerk des Hans von Gastei-ger (1499 bis 1577). Diese Einrichtung, welche das Stahlstück mit Wasserkraft aus dem Ofen zog, erlaubte die Herstellung größerer Stahlblöcke, als bis dahin möglich war.

Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts entstand nordöstlich von Wiener Neustadt die Nadelburg. In dieser Kombination von Fabriksanlage und Arbeitersiedlung entstanden die ersten maschinell hergestellten Nadeln. Knapp ein Jahrhundert später verdrängten stählerne Schreibfedern aus Österreich die bis dahin allgemein üblichen Gänsekiele.

Im Biedermeier entstand auch die Bleistiftindustrie. Josef Hardtmuth erarbeitete das Know-how zur Erzeugung jener Bleistifte, die unter dem Markennamen „Koh-i noor“ weltmarktbeherrschend wurden, Etwa zur selben Zeit verwendete Nepomuk Reithoffer erstmals Kautschuk, um wasserdichte Textilien herzustellen. Michael Thonet begann um 1830, Möbel aus gebogenem Holz zu fertigen, die bald ein begehrtes Exportprodukt wurden. Anton Schrötter Ritter von Kri-stelli schuf mit dem ungiftigen roten Phosphor die Grundlagen der Zündholzindustrie.

Die erste dampfhydraulische Schmiedepresse der Welt, welche der Schwerindustrie die Herstellung großer Werkstücke ermöglichte, wurde in Österreich gebaut. Ihr Schöpfer war der nach Österreich eingewanderte Brite John Haswell.

Um 1840 begannen von Frankreich aus die ersten fotografischen Kameras ihren Siegeszug um die Welt. Sie hatten jedoch einen schwerwiegenden Mangel: man benötigte Belichtungszeiten von zehn Minuten mehr. Erst als der an der Universität Wien wirkende Mathematiker Josef Petz-val sein lichtstarkes Porträtobjektiv berechnete und der Wiener Arzt Johann Natterer die Empfindlichkeit des Aufnahmematerials erhöhte, konnte man „Porträts lebender Personen“ herstellen.

Auch die Kinotechnik hat ihren Ursprung in Österreich. Simon Stampfer beobachtete, daß rasch wechselnde Einzelbilder dem menschlichen Auge als bewegte Laufbilder erscheinen. Franz Freiherr von Uchatius hatte den genialen Gedanken, diese Laufbilder durch Projektion einem größeren Zuschauerkreis zugänglich zü machen. Uchatius war auch auf dem Gebiet der Stahltechnologie innovativ tätig: um 1856 schuf er den Bronzestahl. Auch der erste rostfreie Stahl ist übrigens „made in Austria“. Ihn stellte der Werksdirektor Max Mauermann in Mürzzuschlag her.

Auch in unserem Jahrhundert kam eine ganze Reihe von Innovationen aus Österreich. Eine der bedeutendsten ist wohl die Turbine von Viktor Kaplan. Da sie, während des Laufes verstellbar, auch die niedrigste Gefällstufe auszunutzen vermag, wird sie heute in aller Welt bei Flußkraftwerken eingesetzt.

Auch in der Elektronik kamen entscheidende Impulse aus Österreich. So führte Otto Nußbaumer 1904 in Graz die erste drahtlose Musikübertragung vor. Robert von Lieben baute in der ersten Dekade unseres Jahrhunderts eine Verstärkerröhre, die weltweit zum Einsatz kam. In den zwanziger Jahren nahm am Wiener Elektrotechnischen Institut Josip Slis-kovic den ersten UKW-Sender in Betrieb. Gustav Tauschek schuf in jenen Jahren mit über 150 Patenten die Grundlagen der Datenverarbeitung mittels Lochkarten. Diese frühe Stufe der Computertechnik war bis zum Beginn der siebziger Jahre im Einsatz.

In den fünfziger Jahren baute

Heinz Zemanek das „Mailüfterl“, einen Computer, der zu seiner Zeit zur Weltspitze gehörte und die Entwicklung späterer Großanlagen nachhaltig beeinflußte.

Richard Eier baute mit seiner „Maus im Labyrinth“ einen der ersten lernfähigen Automaten. Techniker der Firma „Vienna-tone“ bauten einen künstlichen Arm mit einer eingebauten Elektroniksteuerung, der auf Willen-impulse des Trägers reagiert und so einen nahezu vollkommenen Gliedmaßenersatz darstellt (siehe Fotos).

Wer in unseren Tagen irgendwo auf der Welt mit der Eisenbahn unterwegs ist, bemerkt unweigerlich riesige gelbe Maschinen, auf denen das Wort „Austria“ steht. Es sind dies Spezialmaschinen zur Instandhaltung und auch zum Neubau von Eisenbahngeleisen, bei denen die österreichische Firma Plasser und Theurer dank ihres Innovationsvorsprunges weltweit marktbeherrschend ist.

Diese keineswegs auf Vollständigkeit Anspruch erhebende Schilderung soll ein wenig dazu beitragen, daß wir keinem „technischen Minderwertigkeitskomplex“ zum Opfer fallen, wenn auf unserem Videorecorder oder der Stereoanlage irgendein fernes Werk in Asien oder sonstwo als Hersteller genannt ist.

Übrigens: So manches Fernostprodukt birgt in seinem Inneren ein Kassettenlaufwerk „made in Austria“!

Der Autor ist Lehrbeauftragter für Geschichte der Nachrichtentechnik an der Technischen Universität Wien.

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