7022769-1988_51_06.jpg
Digital In Arbeit

Wünsche an die Kirche

Werbung
Werbung
Werbung

An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen ... Gibt es Spuren von Christen im Wirtschaftsleben? Und machen sich die am wirtschaftlichen Gestaltungsprozeß beteiligten Christen bemerkbar?

Nein, sie sind erbärmlich still. Oder haben Sie schon je in der „Financial Times“, im „Wall Street Journal“ oder auf den Wirtschaftsseiten von „Presse“ oder „Standard“ von christlichen „success stories“ in der Wirtschaft gelesen? Ja, es ist nicht einmal bekannt, daß der holländische Großindustrielle Godfried Brennink-meijer, laut „Fortune“ der 17.-reichste Mensch der Welt (geschätztes Vermögen: 3,4 Milliarden Dollar), seine Firma nach katholischen Prinzipien führt.

Wo ist die öffentliche Wirksamkeit von Christen in der Wirtschaft, wo bleiben die Zeugnisse/ Testimonials im Guten wie auch bei der Verhinderung von Bösem (durch Zivilcourage, Einschreiten gegen Ungerechtigkeit, Unehrlichkeit, Korruption)? Auch habe ich noch nichts von eingeleiteten Heiligsprechungs- oder Seligsprechungsprozessen christlicher Arbeiter, Angestellter oder Unternehmer gehört.

Einige Christen bilden Gemeinschaften, um sich gemeinsam bei der Erörterung wirtschaftsethischer Fragen zu stützen, von ihnen hört und sieht man allerdings weniger als von Rotariern, wirtschaftlichen Interessenverbänden oder Lobbies.

Dies alles hat zu tun mit der falschen „Bescheidenheit“ vieler Christen, ihren Glauben als reine Privatangelegenheit zu sehen. Wie viele kirchlich engagierte Christen leben ein vorbildliches „Privatleben“, um sich dann im Beruf doch widerspruchslos den Zwängen eines „ungerechten Wirtschaftssystems“ zu unterwerfen!

Kürzlich hat zum Beispiel ein bekannter Harvard-Professor nachgewiesen, daß der Produktivitätsvorsprung der Japaner gegenüber Europa und den USA überhaupt nicht aus dem direkten Produktionsprozeß herrührt, sondern ausschließlich aus „unproduktiven“ indirekten Kostenanteilen, wo Europa und die USA drei- bis vierfachen Aufwand und Kosten haben. Das kommt von unseren hierarchischen, komplexen Prozessen, die dem einzelnen Mitarbeiter nicht genug Information und somit Freiheit zur Entscheidung lassen.

Wie schön wäre es, wenn unser „christliches“ Abendland eine solche Wirtschaftskultur geschaffen hätte. Vielleicht brauchten wir dann weniger vom (berechtigten) Vorrang der Arbeit vor dem Kapital reden?

Ich habe da einen Weihnachtswunsch an die Kirche: Ich wünsche mir eine Kirche mit Wirtschaftskompetenz. Nicht nur eine amerikanische Bischofskonferenz, die mit beispielhaften Prozessen ihren Sozialhirtenbrief „Wirtschaftliche Gerechtigkeit für alle“ erarbeitete, sondern auch eine österreichische, eine vatikanische.

Ich wünsche mir Theologen, die etwas vom Fachgebiet Wirtschaft verstehen, bevor sie sich zu Grundfragen von Arbeit und Kapital äußern.

Einem Bonmot zufolge gehen die Gewerkschaften und die Kirche mit ihren Angestellten und Mitarbeitern am unwürdigsten um. Zusammen mit Kollegen einer Wirtschaftsdelegation mußten wir vor einiger Zeit den Erzbi-schof von Wien und seinen Auxiliarbischof darauf hinweisen, daü wir — wenn wir mit unseren Mitarbeitern so umgingen wie die kirchliche Obrigkeit mit den Studenten der Katholischen Hochschulgemeinde- mit unseren Firmen schon lange pleite gemacht hätten. Warum kann die Kirche nicht aus dem lernen, was in der Wirtschaft (und nicht nur in der Wirtschaft!) als richtig erkannt wurde? Muß sie hinterherhinken (wie beim Aufkeimen des Arbeiterproblems im vorigen Jahrhundert)? Ich wünsche mir eine Kirche, die Avantgarde werde in bezug auf das Einbringen neuer Werte in die Wirtschaft.

Entscheidend ist aber das Auftreten des einzelnen Christen in der Wirtschaft: Persönliche Radikalität, gelebte Tugenden, getragen von fachlicher Legitimation. Aber bleiben wir nicht allein (und einsam) in diesem Bemühen, sondern leiten wir gemeinschaftliche Prozesse ein!

Der Autor war, nach verschiedenen internationalen Managementtätigkeiten, von 1985 bis 1988 Generaldirektor von Olivetti in Osterreich, und ist seit kurzem Leiter des Internationalen Aus- und Weiterbildungszentrums wie auch des Managementtrainings des Olivetti-Konzerns in Haslemere bei London.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung