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Bilanz der Grazer Festspiele
Die heurigen Grazer Festspiele können weder als festlich noch als volkstümlich bezeichnet werden. Zusehr hat man 6ich bereits daran gewöhnt, daß zu Sommerbeginn eine Reihe teilweise höchst erfreulicher künstlerischer Darbietungen, als Festspiele deklariert, dem Grazer Bürger vor seinem Urlaub noch einmal einen konzentrierten Kunstgenuß bieten sollen, so konzentriert, daß selbst an einem Abend mehreres zu hören war, was man sonst nicht hören konnte. Nichts gegen die einzelnen Veranstaltungen: traditionsgemäß eröffnete man mit Franz Schmidts mächtigem „Buch mit sieben Siegeln“ unter der trefflichen musikalischen Leitung Doktor Anton Lippes und beschloß unter dem Jubel der Zuhörerschaft mit zwei Konzertabenden der Münchner Philharmoniker unter Leitung von Fritz Rieger, den zweifellos größten Erlebnissen der Festtage. Aus den zahlreichen übrigen, zumeist musikalischen Veranstaltungen war der „Fidelio“ auf der Schloßbergfreilichtbühne am ehesten von jenem Geiste getragen, den man heute schon Grazer Festspielcharakter nennen kann, nicht zuletzt durch die Einmaligkeit der echten Romantik, die von dieser Bühne ausgeht. Dagegen entsprach Max Mells Nibelungendrama, das vom Burgtheater — auch heuer wieder mit großem Dank bewillkommt — dort aufgeführt wurde, leider weniger den Gegebenheiten des Raumes. Das Schauspielhaus brachte als Nestroy-Novität eines der schwächsten Stücke des Dichters, „Wohnung zu vermieten“, zur Aufführung und gereichte auch durdi die Darstellung nicht immer zur vollen Ehre des Meisters. Neben einer sehr gut aufgenommenen Symfonietta Max Kojetinskys kam — worüber anschließend berichtet wird — Waldemar Blochs Oper „Stella“ zur verdienten Uraufführung.
Gewiß Tage festlichen Erlebens für die kunstfreudigen Besucher der Veranstaltungen, aber keine Festspiele im strengen Sinn. Denn abseits der Ereignisse 6tand die Masse jener, die nicht hingehen wollte oder konnte; aber auch diese in eine geistige Gemeinsamkeit durch gemeinsames Erleben einzuschließen, scheint doch der letzte Sinn allen Festes zu sein. Abgesehen von der oft erörterten finanziellen Frage, wäre es gerade in Tagen der Feier Pflicht derer, die sie ins Leben rufen, allen zu helfen, von ihrem Recht auf Kunst Gebrauch zu machen.
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