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Es steht ein Schloß...

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Es gibt Hobbies verschiedenster Art, die den menschlichen Spiel- und Sammeltrieb auf mehr oder weniger hohem Niveau befriedigen. Sicher zu den anspruchsvollsten Vergnügungen des Homo ludens gehört es, Embleme, die sich in Barockbauten finden, zu sammeln, aufzulösen und zu interpretieren. Grete Lesky, die sich diesem Spiel mit jener Leidenschaf t hingibt, die ansteckend wirkt, bringt dazu nicht nur die unabdingbaren Lateinkenntnisse mit, welche das Verständnis von Lemma und Carmen, das ist Sinnspruch und Begleitgedicht, ermöglichen, die das im Bild dargestellte Gleichnis erklären; darüber hinaus steht ihr ein weites Spektrum sprachlichen und kulturellen Wissens in den verschiedensten Bereichen zur Verfügung, das ein hellwacher und interessierter Geist ständig ausbaut und dem stets aufnahmebereite Augen und Ohren zufolge nie ermüdender Wißbegierde neue Nahrung zuführen. Die Emblemforscherin, der es weniger um die künstlerischen Qualitäten als um den Aussagewert der Bilder geht, war bisher vorwiegend religiösen Zyklen nachgegangen und setzt sich hier nun mit einem „profanen“ Thema auseinander: mit dem Büd-schmuck von Schloß Eggenberg bei Graz. Der architekturgeschichtlich noch wenig geklärte Bau wurde um 1625 vom Reichsfürsten Hanns Ulrich von Eggenberg begonnen, der bei seinem Tode 1634 wohl kaum den Rohbau fertig sah. Die Nachkommen, Johann Anton und Johann Seyfried (t 1713), haben das Werk zu Ende geführt und auch den Büdschmuck der 25 Zimmer und des Festsaales sowie die plastische Dekoration der Schloßfassade erstellen lassen. Diese Büderfolge nun ist Gegenstand des vorliegenden Buches, das auf die unter den Herberstein in fünf Räumen angebrachten Rokokowandbespannungen nicht eingeht. Der Sinngehalt der malerischen Ausstattung wird durch die zahllosen Embleme faßbar, wobei sich Deutungen für die einzelnen Räume und darüber hinaus ein einheitliches Programm erarbeiten lassen, welches G. Lesky auf die Formel „Marte et Arte“ bringt. Diese durchaus überzeugende Interpretation rechnet mit einem Intensiven Anteil der Bauherrn an der Gestaltung des Baues, wofür der Rekonstruktionsversuch der Eggenber-gischen Bibliothek ebenso Anhaltspunkte liefert, wie die Berücksichtigung politischer, allgemeiner und lokalhistorischer Gegebenheiten. Von außerordentlicher Wichtigkeit erweist sich als Vorlage die Emblema-tik des Spaniers Saavedra, wie überhaupt die Hinweise auf die spanische Kunst im Zusammenhang mit diesem Bau Interesse verdienen. Der glückliche Fund von G. Jontes, der das gedruckte Programm aufstöberte, welches der Maler Hans Adam Weissenkircher für den Prunksaal verfaßte, wird den von G. Lesky unabhängig davon gewonnenen Interpretationen gegenübergestellt und erlaubt nun einen interessanten Vergleich.

In diesem Buch steckt unendlich viel Wissen; eine intime Kenntnis der barocken Emblemliteratur bildet die Basis und die dafür gesammelten Reiseeindrücke in Rom, Spanien und Krumau ergänzen sie in eindrucksvoller Weise. Dazu kommt ein großes Wissen um englische Kultur und Sprache, in der sich viel europäisches Gedankengut unverfälschter erhielt als am Kontinent. All dies wird in einer sehr liebenswürdigen Weise an den Mann gebracht, in einem Gemisch von wissenschaftlicher Abhandlung, die dem Leser auch die Umwege der ehrlichen Forschungsarbeit nicht erspart, von persönlichem Tagebuch und lokalpatriotischem Hymnus, der trotzdem frei von chauvinistischer Enge ist. Insgesamt also ein sehr individueller und sicherlich unwiederholbarer Buchtypus, der sich ganz bewußt an den Kenner und Liebhaber wendet und offenbar sehr planmäßig den Anschein trockener Wissenschaftlichkeit vermeiden möchte. Schade ist freilich, daß dabei tatsächlich die wissenschaftliche Brauchbarkeit leidet, und zwar nicht etwa durch die bestrickende Originalität des Textes, sondern durch das Fehlen einer gewissen Disziplin, deren Befolgung die genannten Qualitäten keineswegs beeinträchtigt hätte. Dabei stört es weniger, wenn im geistreichen Geplauder der Autorin im bunten Bild der Assoziationen der rote Faden des eigentlichen Themas gelegentlich verloren zu gehen droht. Alle unorthodoxen Einfälle der charmanten Causerie wird man entzückt begrüßen — wenn man durch einen sauber gearbeiteten Index und einen Anmerkungsapparat, der die allgemeinen Spielregeln beachtet, sich leicht orientieren kann. Hier aber muß man oft fragen, warum ein Exkurs im Text, ein anderer in den Fußnoten erscheint und warum etwa im Index Panofsky, aber nicht die neueren Autoren, wie Jontes, Ma-rauschek oder Matyäsovä aufscheinen, obwohl deren Arbeiten für die weitere Forschung ausschlaggebend sind; das Wiederfinden der irgendwo zitierten Titel ist recht mühsam.

SCHLOSS EGGENBERG. Von Grete Lesky. Das Programm für den Bildschmuck, Verlag Styria, Graz, 1970, 308 Seiten, 62 Textabbildungen, 55 Tafeln. S 195.—.

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