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Sektenbetrieb in den USA

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Die amerikanischen Kirchen unterscheiden sich voneinander weniger durch ihren Glaubensinhalt oder durch ihre Stellung innerhalb des Staates, sondern durch ihren gesellschaftlichen Rang. Es gibt „vornehme“ und weniger „vornehme“ Kirchen. Das gilt natürlich nur für die protestantischen Religionsgemeinschaften, denn die katholische Kirche umfaßt naturgemäß alle Volksschichten und läßt sich nicht in ein derartig „hierarchisches“ System eingliedern. Die „Presbyta-rian Church“ (calvinistisch) und die „Episcopalian Church“ (anglikanisch) gelten als die „vornehmsten“ Kirchen. Doch läßt sich kein klares Schema über die soziale Stufung der verschiedenen protestantischen Bekenntnisse aufstellen, denn im Norden gelten andere Kirchen als „aristokratisch“ als im Süden, im Osten andere als im Westen.

Fast ebenso schwierig ist es, festzustellen, welche konfessionellen Gruppen der Amerikaner nun als „Kirchen“ bezeichnet und welche er mit dem Ausdruck „Sekten“ stempelt. Es gibt in den USA an die 300 religiöse Gemeinschaften. Welche davon sind „Kirchen“ und welche sind „Sekten“?

„Kirchen“ weichen in konfessionellen Belangen, trotz kleinen Unterschieden, nicht stark voneinander ab. „Sekten“ nennt der Amerikaner Gruppen von Extremisten, die durch die Form ihres Gottesdienstes, durch ihre Kleidung, durch eine besondere Lebensweise oder durch ungewöhnliche Glaubensartikel auffallen.

Diesen Sekten haftet also eine besondere „Abartigkeit“ an. So gesehen, lassen sie sich in drei Hauptgruppen unterteilen: in „Historische Sekten“, in „Modesekten“ und in „Negersekten“.

Die „Amischen“ und die Zivilisation

Die erste (historische) Gruppe stammt aus dem 16. und l^J^rw,, hundert, also.aus einer Zeit, da in Europa große religiöse Umwälzungen stattfanden. Viele dieser Glaubensgemeinschaften emigrierten nach Amerika, wo sie vor allem in den Gebieten des heutigen Staates Pennsylvania eine neue Heimat fanden. Noch heute werden sie mit dem Ausdruck „Pennsylvania Dutch“ bezeichnet. „Dutch“ bedeutet in diesem Fall „deutsch“ und nicht „holländisch“, denn die meisten dieser Auswanderer stammen aus den deutschsprachigen Teilen Europas, vor allem aus Süddeutschland und der Schweiz. Zu den „Pennsylvania Dutch“ zählen die verschiedenen Gruppen der Mennoniten, die „Brethern“, die „Old Order Amish“ und die „Quäker“.

Die „Old Order Amish“, gegründet im 17. Jahrhundert von Jakob Amman aus Bern, wanderten Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts aus der Schweiz und aus Deutschland aus. Bis heute sprechen sie untereinander einen deutschen Dialekt, der sehr stark mit dem „Schwäbischen“ verwandt ist. Heutzutage sind es nun nicht mehr ihre rein religiösen Abirrungen, wie Ablehnung der Kindertaufe, Verzicht auf Gotteshäuser und Geistlichkeit, sondern vielmehr gewisse Formen ihres äußeren Lebens, die den Widerspruch ihrer Mitbürger herausfordern. Die „Amischen“, wie man sie nach ihrem Gründer nennt, kleiden sich noch immer in einer altertümlichen Tracht. Die Frauen tragen Häubchen, lange schwarze Röcke, dazu bürite Schürzeh und bunte Blusen, die Männer breitrandige Hüte, kragenlose Kittel und „Latzhosen“. Sie lassen sich Vollbarte wachsen, rasieren sich aber aus Reinlichkeitsgründen den Schnurrbart. Die Buben tragen halblanges Haar, die Mädchen Zöpfe.

Die Amischen, die fast alle als Bauern leben, sträuben sich auch gegen alle übrigen „Segnungen“ der modernen Zivilisation. Sie verzichten in ihren Bauernhäusern nicht nur auf jeglichen Luxus, wie Kühlschrank, Television und Radio, sondern auf Elektrizität überhaupt, auf Installationen und manchmal sogar au! Gas. Auch das Auto lehnen sie ab und fahren in altmodischen Kutschen. Das alles wirkt im supermodernen Amerika noch viel absonderlicher als bei uns.

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