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Das Volk — ein realer politischer Faktor
Die Bestimmungen des Art. 27 (1) der Landesverfassung von Salzburg und die Art. 15 und 16 der Vorarlberger Verfassung leiten vom fakultativen Referendum zum legislativen Referendum über. Nach der Salzburger Verfassung muß jedes Landesgesetz, wenn es von wenigstens 20.000 Wahl- und Stimmberechtigten im Land innerhalb sechs Wochen nach der Kundmachung des Gesetzes gefordert wird, einer Volksabstimmung unterworfen werden. Hier wird dem Landesvolk das Recht eingeräumt, die Gesetzgebung an sich zu ziehen und einem Teil des Landesvolkes die Initiative hiezu übertragen. Das Salzburger Verfassungsrecht weist damit den Weg in die Zukunft. Nun soll eine ähnliche Bestimmung in die Bundesverfassung eingebaut werden, um ein solches Recht, die Gesetzgebung an sich zu ziehen, dem Bundesvolk einzuräumen. Die bisherigen Bestimmungen über das Volksbegehren und die Volksabstimmung konnten lediglich dazu dienen, Gesetzesvorschläge aus dem Volk an das Parlament heranzutragen (Volksbegehren) oder Gesetzesbeschlüsse des Parlaments dem Volk zur Uberprüfung und endgültigen Entscheidung vorzulegen.
In jüngster Zeit gehen die Bestrebungen weiter. Es sollen die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, die es ermöglichen, Maßnahmen, die im Zuge der parlamentarischen Verhandlung nicht gestaltet werden können, im Wege der unmittelbaren Volksabstimmung erledigen zu können. Dazu reichen die jetzt in der Verfassung vorgesehenen Bestimmungen über Volksbegehren und Volksabstimmungen nicht aus. Die ÖVP wird daher einen Initiativantrag einbringen, der eine Änderung der Verfassung beinhaltet und es ermöglichen soll, unter bestimmten Voraussetzungen Gesetzesanträge dem Volk selbst zur Beschlußfassung vorzulegen. Eine bestimmte Anzahl der Mitglieder des Nationalrates (etwa zwei Fünftel), eine bestimmte Anzahl der Mitglieder des Bundesrates oder eine entsprechend hohe Zahl von Stimmberechtigten sollen befugt werden, eine solche Volksabstimmung herbeizuführen.
Jeder Gesetzesvorschlag, der auf diese Weise vom Bundesvolk angenommen worden ist, ist vom Bundespräsidenten als Volksbeschluß ohne weitere parlamentarische Behandlung sofort mit der vollen Wirksamkeit eines Gesetzes (beziehungsweise eines Verfassungsgesetzes) zu beurkunden und kundzumachen. Ausgeschlossen sollen solche Gesetzesvorschläge von der Behandlung im Zuge einer Volksabstimmung sein, die eine Änderung eines gültigen Gesetzes bewirken sollen, seit dessen Inkrafttreten die Frist eines Jahres noch nicht verstrichen ist. Jeder Gesetzesvorschlag, der im
Wege der Völksabstimmung zum Volksbeschluß erhoben werden soll, muß, falls sein Inhalt Staatsausgaben hervorruft, auch gleichzeitig die erforderlichen Bestimmungen zu ihrer Bedeckung enthalten.
Durch diese Maßnahmen soll unser politisches Leben verlebendigt und bereichert werden. Das Volk soll seinen Willen unmittelbar zum Ausdruck bringen können und selbst die Verantwortung über entscheidende Entschließungen übernehmen. Als echt demokratische Partei will die österreichische Volkspartei nicht eine Entwicklung gewähren lassen, die den Staat zum reinen Parteienstaat werden läßt, noch will sie zusehen, wie der Parlamentarismus neuerdings dadurch zu einer Gefahr der Demokratie wird, daß sie in seinen Formen erstarrt und die Eignung verliert, wichtige politische Probleme zu lösen. Wo das Parlament versagt, muß der Weg frei sein zum Appell an das Volk, Probleme, deren Lösung das Volk gebieterisch verlangt und die zu lösen sich das Parlament nicht geeignet findet, müssen in die verantwortungsvolle Entscheidung des Volkes selbst gelegt werden. Das Volk soll in Hinkunft nicht nur der nebulose Träger der Souveränität sein, sondern durch eigene, selbstausgeübte Gesetzgebung zu einem realen politischen Faktor werden.
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