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Die Nptwendigkeit einer österreichischen Verwaltungsreform

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Trotz aller Schwierigkeiten wirtschaftlicher und sozialer Art ist das heutige Österreich in besonderem Maße dazu berufen, eine Neuordnung seines staatlichen Lebens durchzuführen. Heute stehen bei uns neben kaiserlichen Hofdekreten aus dem Vormärz Gesetze und Verordnungen aus der Zeit der konstitutionellen Monarchie noch in Geltung, und Rechtsvorschriften aus der Periode der ersten Republik konkurrieren mit solchen aus den Jahren der deutschen Invasion; schließlich hat das Wirken der seit Mai 1945 mit Hochdruck arbeitenden Gesetzesmaschine den allgemeinen Rechtswirrwarr noch erhöht.

Dies trifft vor allem für das Gebiet der Verwaltung zu. Hier herrscht ein Zustand I unklarer und verworrener Rechtsverhältnisse. Die* aus den verschiedensten Epochen stammenden Normen stehen nicht selten zueinander in schroffem Widerspruch und jmachen eine einheitliche Regierungsweise j unmöglich. In den Verwaltungsvorschriften gibt es noch Relikte längst verschwundener Staatsformen, oft auch rudimentäre Ansätze unausgeführter Reformpläne oder die nur bruchstückweise Verwirklichung eines Rechtsgedankens auf irgendeinem Teilgebiete. Dem Ganzen aber mangelt die architektonische Einheit, das heißt ein Aufbau auf großen einheitlichen Ideen, die das ganze Gebäude nicht nur tragen, sondern auch in jedem seiner einzelnen Teile durchdringen. Was wir dringend brauchen, ist eine Systematik unseres Verwaltungsrechtes, eine aus einem Guß geschaffene Neuordnung, welche die bisher zusammenhanglosen Vorschriften nach gemr'risr,-nen Leitgrundsätzen ordnet und vereinheitlicht.

Daß es sich hiebei um keine unmögliche Forderung handelt, hat gerade die österreichische Gesetzgebung der ersten Republik bewiesen, da sie durch die V e r w a 1- . tungsverfahrensgesetze (1925) der Vielfalt von Vorschriften auf dem Gebiete des formellen Verwaltungsrechtes ein Ende setzte. Hier wurde gezeigt, daß man auch im staatlichen Leben einen klaren Strich .hinter eine verwirrte Vergangenheit machen und damit eine Arbeitsfähigkeit im betriebswirtschaftlichen Sinne erzielen kann. Nicht zu Unrecht werden deshalb auch die Verwaltungsverfahrensgesetze als die größte Leistung der österreichischen Gesetzgebüngs-kunst seit 1918 gepriesen.

Übrigens hat auch die provisorische Staatsregierung im Mai 1945 hereits einen gewissen Grundstein zu einer allgemeinen Rechtsform gelegt, als sie eine „Kommission zurVereinheitlichung und Vereinfachung der österreichischen Rechtsordnung“ ins Leben rief.) Diese Maßnahme entsprang der richtigen Erkenntnis, daß ein staatlicher Neubau] in erster Linie mit einer Neugestaltung der Rechtsordnung, welche das Fundament jedes Staates ist, begonnen werden müsse. Auch unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß die Notwendigkeit zu einer Vereinheitlichung und Vereinfachung der Rechtsordnung gerade auf dem Gebiete des Verwaltungsrechtes, besonders vordringlich ist.

Es besteht schließlich im österreichischen Rechtsleben noch eine Einrichtung, der im Prozeß der- Vereinheitlichung des Verwaltungsrechtes — wenn auch in den der Judikatur gesetzten Grenzen — eine wesentliche Rolle zukommt: es ist dies der V e r w a \-tungsgerichtshof, in welchem' dem mannigfaltig zerklüfteten österreichischen Verwaltungsverfahren zumindest in der obersten Instanz eine einheitliche Stütze zuteil wird. Tatsächlich hat auch der österreichische Verwaltungsgerichtshof in unzähligen Entscheidungen sich bemüht, in das Chaos der bestehenden Verwaltungsnormcn einigermaßen Klarheit zu bringen, indem er in seinen Sprüchen meist weit über den Einzelfall hinausgriff und allgemein gültige Richtsätze aufstellte, welche für die Verw.'ltungsprasis d“.nn zu weithin sichtbaren I euchtfeuern wurden'. Die jüngsten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes laben die Verwaltungsjudikatur im guten lten österreichischen Geiste wieder aufgenommen und insbesondere die in den letzten Jahren in hohem Maße auftretende Hechtsverwilderung — wie zum Beispiel den Mißbrauch desReichsleistungs-ge Setzei — energisch bekämpft. Audi für die nahe Zukunft wird dem Wirken dieses Gerichtshofes für die Vereinheitlichung des österreichischen Verwaltungsrechtes eine überragende Aufgabe zukommen.

Auch in anderer Richtung hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofas eine wichtige Sendung zu erfüllen: Es obliegt fhm in erster Linie, die Vorschriften des österreichischen Verwaltungsrechtes mit neuem Geiste zu durchdringen, zugleich ' auch an erprobtem wertvollen Gute festzuhalten. Es vermag auch nur eine höchste Instanz eine so schwierige Aufgabe zu meistern; denn sie besitzt den-notwendigen Überblick über die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Forderungen der Zeit und sie hütet auch in ihren Sammlungen den wertvollen Schatz der Weisheit österreichischer Verwaltungskunst vergangener Tage.

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