6772960-1969_10_05.jpg
Digital In Arbeit

Keine Stimmungsmache

Werbung
Werbung
Werbung

Daß sich mit Worten allein nicht immer trefflich streiten läßt, war die bittere Pille, die Bautenminister Dr. Kotzina dem burgenländischen Landeshauptmann auf diese Erklärungen hin wenige Tage später v schlucken gab: „Im Interesse aller Österreicher“, sagte Dr. Kotzina, „müssen die Konzepte für den Ausbau des Straßennetzes nach objektiven und überregionalen Gesichtspunkten erstellt werden. Durch das Zeichen emotioneller Zerrbilder werde der Saehe des Straßenbaues' ein schlechter ■ Dienst- erwiesen- Nhäit Stimmungsmache, nicht Länderproporz könnten Entscheidungskriterien sein, sondern mit Hilfe der Wissenschaft erarbeitete Erkenntnisse hätten die Grundlage für eine wirtschaftlich vertretbare Straßenbaupolitik zu bilden.“ Indes beschränkte sich der Bautenminister in seiner Antwort keineswegs bloß auf diese grundsätzlichen Feststellungen. Systematisch wurde das Bukett Keryscher Argumente entblättert...und so wies Dr. Kotzina nach, daß ... • ... Österreich keineswegs an der Enns endet. Denn von den bisher in den Autobahnbau investierten 12,5 Milliarden Schilling wurden 6,8 Milliarden Schilling östlich der Enns und n u r 5,7 Milliarden Schilling westlich der Enns ausgegeben.

• ... weder die Sonderfinanzierung der Tauernautobahn noch die Vorfinanzierung der Inntalautobahn andere Bauvorhaben beeinflussen werde. Denn die Haftungsübernahme des Bundes zur Sonderfinanzierung der Scheitelstrecke der Tauernautobahn durch eine Aktiengesellschaft berührt nicht die Mittel aus der Bundesmineralölsteuer. Ebenso werden die Zinsen für die Zwischenfinanzierung zugunsten eines beschleunigten Baues der Inntalautobahn vom Land Tirol und dem Bund ohne Inanspruchnahme der Bundesmineralölsteuer beglichen werden. Durch diese beiden Maßnahmen werden daher keine anderen Vorhaben beeinträchtigt werden. Den Kraftfahrern werden hingegen wichtige Routen schneller zur Verfügung stehen.

• ... die Unterflurautobahn im Raum Bregenz nicht 2,5 Milliarden Schilling, sondern 1,1 Milliarden Schilling kosten wird, weil die im Rahmen des gesamten Verkehrskonzeptes in diesem Raum erforderliche Bahnverlegung den Straßenbau finanziell nicht berührt.

• ... der Sonderstellung des Burgenlandes' in besonderem Maße Rechnung getragen werde: Denn das bur-genländische Bundesstraßennetz ist zu 40 Prozent voll ausgebaut, während der österreichische Durchschnitt erst 30,8 Prozent beträgt. In die wichtigste Verkehrsverbindung des Burgenlandes, die 208 km lange Eisenstädter Bundesstraße sind bisher 676,5 Millionen Schilling investiert „worden. J3i£ Ausgaben, für-den. burgenländischen Bundesstraßenbau beliefen sich allein in den letzten fünf Jahren auf 724 Millionen Schilling!Bei den neuen Vorhaben des Jahres 1969 liegt das Burgenland mit 23 Straßenbauvorhaben und 14 Brücken vor Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Der burgenländische Landeshauptmann wird es angesichts der Konfrontation mit diesen Tatsachen nicht leicht haben, die Rolle des Benachteiligten weiter darzustellen. Das ist indes nur ein schwacher Trost Denn die Taktik, Forderungen laut zu erheben und gleichzeitig schon Erreichtes zu verschweigen, beschränkt sich keineswegs nur auf den obersten Repräsentanten des Burgenlandes. Die jüngst von Kery praktizierte Vorgangsweise ist leider nur das typische Beispiel einer Regionalpolitik, die im möglich kräftigen Schröpfen des Staates ihr höchstes Ziel sieht. Die neun Bundesländer im kleinen Österreich sind sich gleichermaßen einig in der Unzufriedenheit über das, was der Staat geben kann, und in der Ungeduld, mit der die Erfüllung immer neuer Wünsche begehrt wird Auf der anderen Seite stehen sie sich in wachsamer Neidgenossenschaft gegenüber und fühlen sich solcherart ständig benachteiligt. Verschieden sind lediglich die Akzente und Argumente. Das Verständnis für überregionale Erfordernisse endet dafür zumeist an der jeweiligen Tür, die in diesem Fall mit der sorgsam bewachten Bundesländergrenze übereinstimmt. Das jüngst von Bautenminister Dr. Kotzina für die Straßenbaupolitik ausgesprochene Wort vom Vorrang objektiver und Überregionaler Gesichtspunkte ist angesichts der ganze Kontinente erfassenden Integrationserfordernisse sicherlich zwingend. Indes überragen in Österreich die Kirchtürme allenthalben die großzügigen Konzepte. Chancen für einen Sieg der Konzepte zeichnen sich leider am österreichischen Horizont derzeit nicht alb...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung