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Lippenbekenntnisse retten kein Leben

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Obwohl sich Jahr für Jahr etwa eine halbe Million Österreicher bei Heim-, Freizeit- und Sportunfällen verletzen - 1.500 von ihnen tödlich - schrillen bei den zuständigen Politikern (Wirtschaft, Soziales, Gesundheit) noch immer nicht die Alarmglocken. Dabei müßten die Regierung nicht nur die enormen wirt-schaftlichen und sozialen Folgekosten zutiefst beunruhigen: Sie hat sich im Rahmen eines Aktionsplanes der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Gesundheit 2000“ sogar vorgenommen, erheblich mehr als bisher für die Prävention, also die Verhütung von Unfällen, zu tun. So soll bis zum Jahr 2000 die Zahl der tödlichen Unfälle um 25 Prozent und die der nicht-tödlichen Unfälle um zehn Prozent gesenkt werden.

Aber das sind bisher Lippenbekenntnisse geblieben. In Österreich werden bei weitem nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um Unfälle in den Bereichen Sport, Haushalt und Freizeit - und um die geht es hier - so weit als möglich zu verhindern. Es wird nicht einmal öffentlich darüber diskutiert, ganz zu schweigen von einer erkennbaren Präventionspolitik.

Im Gegenteil, klagt Rupert Kisser, Leiter des Institutes „Sicher leben“ im Gespräch mit der FURCHE: „Die Prävention wird sehr vernachlässigt. In der gesamten vergangenen Legislaturperiode ist man im Bereich der Gesundheitsförderung überhaupt nicht wei-tergekommen.“ Stehen die Chancen auf Verständnis bei der neuen Regierung, die sich als „Koaliti-on neu“ versteht, besser? Rupert Kisser gibt sich keinen Illusionen über den finanziellen Spielraum hin: „Gesundheitsministerin Christa Krammer hat keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß dafür kein Geld vorhanden ist“. In die gleiche Kerbe schlägt auch der Hauptgeschäftsführer des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Franz Bogner: Es sei ihm unverständlich, daß die Unfallverhütung noch immer um politische Anerkennung kämpfen müsse. Außerdem gebe es keine Förderung durch öffentliche Hände, kritisierte er kürzlich in einer Aussendung.

Fritz Koppe, oberster Konsumentenschützer, erhebt noch massivere Vorwürfe: In einem Kommentar unter dem Titel „5.000 Unfalltote klagen an“ forderte er kürzlich eine wirksame Unfallverhütungspolitik nicht nur für den Bereich Verkehr, sondern auch für die Bereiche Heim, Freizeit und Sport. Das müsse zu einem erklärten Ziel der neu-en Bundesregierung werden, andernfalls würden sich die Verantwortlichen ja geradezu dem Vorwurf der Mitschuld an der fahrlässigen Tötung von Hunderten Menschen aussetzen, schrieb er.

Dabei liegt seit zwei Jahren ein umfassendes Unfallverhütungsprogramm vor, das der „Österreichische Sicherheitsrat“ gemeinsam mit dem Institut „Sicher leben“ erarbeitet hat. Es entspricht den eingangs erwähnten - und von Österreich schon Mitte der achtziger Jahre mitgetragenen - Zielen des Europäischen Regionalprogrammes der WHO. 100 konkrete Maß-nahmen zur Umsetzung ihres U nfall Verhütungsprogramms schlagen darin die österreichischen Experten vor (siehe S. 14). Vehement fordern sie von der neuen Regierung die Umsetzung; ein weiterer Aufschub wäre sowohl aus menschlicher als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht mehr vertretbar.

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