Der Kredit der Kirchen

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Das Verhältnis von Kirche und Politik ist nun wieder einmal heftig zur Diskussion gestellt. In Österreich ist dieses Verhältnis besonders prekär, anders als in anderen europäischen Ländern, wegen der schlimmen Erfahrungen der dreißiger Jahre, mit dem politischen Katholizismus auf der einen Seite, dem nationalsozialistischen Engagement evangelischer Pfarrer auf der anderen Seite.

Geistliche haben daher in der Politik nichts zu suchen, war seit 1945 Konsens.

Diese Selbstverständlichkeit ist aber nun erstaunlicherweise aufgebrochen. Nun muß aber auch gesehen werden, daß es nicht nur die Erinnerung an die dreißiger Jahre ist, die dazu führt, daß man die Kirche unter eine politische Glasglocke stellen möchte. Eine allgemeine Politik- und Politikerverachtung, die Verachtung des "garstigen Liedes" spielt eine Rolle. Aber es wird auch eine moralisierende, sachlich inkompetente Bevormundung abgelehnt. Letzteres ist sicher sehr ernst zu nehmen.

Kirche muß politisch reden und handeln. Nicht im Sinn eigener Machtpolitik, nicht um sich im Parteienspektrum zu arrangieren, sondern Dienst am Menschen, Sorge um die Menschen und um die Gesellschaft verpflichten sie. Sie hat eine besondere Anwaltsfunktion für Menschlichkeit und Menschenwürde, für die Armen und Benachteiligten. Sie darf darum auch nicht besorgt sein, es allen recht zu machen. Sie muß es riskieren, im konkreten Fall auch deutlich Partei zu ergreifen.

Dadurch, daß Kirchen nicht im unmittelbaren politischen Konkurrenzkampf stehen, haben sie als unabhängige Instanzen einen beachtlichen Kredit in der gesamten Gesellschaft und dementsprechend einen großen Freiraum. Sie sind auch ziemlich unantastbar, solange sie sich nicht direkt in die parteipolitischen Auseinandersetzungen begeben. Sie dürfen allerdings diese Sonderstellung nicht mißbrauchen.

Jedenfalls müssen die Kirchen und ihre Amtsträger sehr sorgfältig den Grat finden, auf dem sie sinnvollerweise reden und tun, was sie zu reden und tun haben. Wenn heute eine größere Offenheit möglich ist, kann das nur begrüßt werden.

Der Autor ist evangelischer Oberkirchenrat und Professor für Systematische Theologie in Wien.

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