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Die Schlacht um die Bibel

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Wer sich über die bewegte, ja wahrhaft aufregende Entstehungsgeschichte dieser „Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung“, wie der endgültige Titel heißt, rasch informieren will, wird gern nach dieser knappen, aber sehr aufschlußreichen Darstellung greifen (den lateinischen Wortlaut von „Dei verbum“ bietet A. allerdings nicht).

Der erste Entwurf der „Konstitution“ wurde — von Kardinal Otta-viani warm empfohlen — bereits am 14. November 1962 den Konzilsvätern vorgelegt, aber wegen seines trockenen Gelehrtenstles und seiner geringen Rücksichtnahme auf die nichtkatholische Bibelwissenschaft hätte er niemals die erforderliche Zweidrittelmehrheit bekommen. So ließ Johannes XXIII. noch vor der Abstimmung den Entwurf zurückziehen. Zu dessen Neubearbeitung wurden jetzt sowohl Kritiker wie Befürworter der ersten Fassung herangezogen, den Vorsitz in der Kommission teilte sich nun Ottaviani mit dem Bibelfachmann Kardinal Bea. Das zweite Elaborat suchte al-

len Wünschen gerecht zu werden, geriet infolgedessen aber etwas gar zu farblos und war in Gefahr, still ad acta gelegt zu werden. Da griff nun wieder der Papst ein, diesmal Paul VI., und beide Väter des zweiten Entwurfes arbeiteten im Verein mit der theologischen Kornmission und dem Sekretariat für die Einheit der Christen einen dritten Entwurf aus, bei welchem fast 300 Verbesserungsvorschläge zu berücksichtigen waren (10). Inzwischen gab die päpstliche Bibelkommission (April 1964) die bekannte „Instruktion über die geschichtliche Wahrheit der Evangelien“ heraus, die selbstverständlich ebenfalls weitgehend verwertet wurde. Am 18. November 1965 nahm dann das Konzil (bei nur sechs Gegenstimmen) den endgültigen Text an, die „Schlacht um die Bibel“ war geschlagen.

Unter den vielen heißen Eisen, die den Konzilsvätern zur Entscheidung vorlagen, sei hier nur die „Irrtums-losigkeit“ der Heiligen Schrift erwähnt. Man konnte und wollte die profanwissenscbaftüichen Irrtümer etwa im Alten Testament (Beispiele S. 61, die sich freilich vermehren ließen) nicht unberücksichtigt lassen. Der ursprüngliche Text wurde viermal geändert, bis man sich endlich auf folgenden Wortlaut einigte: „ ... die Wahrheit, die Gott um unseres Heiles willen in den Heiligen Schriften aufzeichnen ließ, wird sicher, zuverlässig und ohne Irrtum (Nr. 11: firmdte, fideiiter et sine errore) gelehrt.“ Auf gesicherte Ergebnisse der modernen form- und redaktionsgeschichtlichen Methode wird weitgehend Rücksicht genommen. Gewiß sind die Evangelien historische Dokumente, die „getreu überliefern, was Jesus ... wirklich getan und gelehrt hat“ (Nr. 19), aber sie sind keine Protokolle im modernen Sinn, sondern Niederschrift des Jahrzehnte langen urchristlichen Kerygmas, „genau genommen... nicht die Predigt Jesu, sondern die Predigt über Jesu Predigt“ (93). Hier hätten freilich der Verfasser wirklich „genau“ sehen müssen und den gar nicht geringen Anteil der ipsissima vox Christi in den Evangelien, wie ihn H. Schürmann und Joachim Jeremias in exakter Forschung herausgearbeitet haben, nicht völlig ignorieren dürfen.

Die übrigen Teile des Neuen Testamentes, die doch mehr als 50 Prozent ausmachen, werden von der Konstitution mit ganzen zwei Sätzen bedacht (Nr. 20). A. glaubt, daß daran eine „gewisse Ermüdung“ (96) der Konzilsväter schuld war. Oder wollten sie bewußt auf die Unterschiede zwischen katholischer und reformatorischer Auslegung mancher Paulusbriefe nicht näher eingehen? Die Evangelienprobleme schienen dem Konzil mit Recht wichtiger und wohl auch spruchreifer. Man legt diese Einführung mit aufrichtigem Dank an den Verfasser aus der Hand.

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