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„EFFECTOR“ FELLINI

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In der offiziellen Sprache der katholischen Kirche, dem Latein, sind alle diejenigen, die als künstlerische Leiter Filme drehen, „effectores“. Wir sagen dazu „Regisseure“ (was als Fremdwort aus dem Französischen kommt und dort nicht' etwa Regisseur in unserem Sinne — das ist der „rėalisateur“ — sondern soviel wie Aufnahmeleiter bedeutet). Diejenigen, die in kaufmännischem Anbetracht Filme herstellen, hierzulande also die Produzenten, heißen im kirchlichen Neulatein „cinematographic! praebitores“, bieten mithin filmisch etwas dar oder zeigen es — was im Grunde ja nur die Theaterbesitzer tun. Die Verleiher schließlich werden als „cinemato- graphici distributores“, eigentlich „Verteiler“, bezeichnet. Die Übersetzungen stimmen da nicht immer ganz mit letzten beruflichen Feinheiten überein, sind etwa unter juristischen Gesichtspunkten keineswegs hieb- und stichfest.

Für den Film selbst gibt es je nach dem anzuwendenden Begriff verschiedene Bezeichnungen, darunter auch die kuriose „taeniola“, die vermutlich mit „Band“ zusammenhängt. Wie schon angedeutet, sind die für Phänomene des modernen Lebens geschaffenen Neolatinismen nicht in jedem Falle glücklich. So heißt Fernsehen beispielsweise „imaginum transmissio per electricas undas“, wörtlich „Übertragung von Bildern durch elektrische Wellen“ — zuweilen auch, weniger umständlich, aber nach Auffassung der vatikanischen Experten schon nicht mehr ganz korrekt, „telecirculus“. Warum sagt man nicht einfach „televisio“ (zu griechisch „tele“ = fern und lateinisch „visio“ = Anblick)? In fast allen der gegenwärtig gebrauchten Hauptsprachen wäre dieses Wort leicht verständlich: den Ausdruck Television kennt nahezu jeder.

Journalisten sind in der Formulierkunst des Vatikans „nuntiorum exquisiteres“, genau übersetzt „Nachrichtenforscher“ (auch ,,-auswähler“, „-prüfer“ usw.) Das trifft aber nur auf einen Teil der Zeitungsleute, etwa die sogenannten Reporter, zu. Für viele andere, die sich beispielsweise mit

der Kommentierung, der Kritik befassen, ferner Redakteure und was immer auf dem überaus spezialisierten Gebiet des Pressewesens, des Journalismus ganz allgemein, an Funktionsträgern existiert, gilt die stark verengende Bezeichnung nicht. Könnte man da nicht einfacher und zugleich treffender formulieren? Chefredakteur Cajus Julius Cäsar, der ja eine Tageszeitung, die „acta diurna“, herausgab und gemeinhin als meisterlicher Lateiner anerkannt wird, hätte das gewiß vermocht.

Zum vatikanischen Neulatein gehören auch Wendungen wie „libelli lusorii“ („kurzweilige Bücher“) für sehr leichte Unterhaltungslektüre, besser gesagt: Schundliteratur, „char- tulae laudativae“ („lobende Papieranschläge“) für Plakate, auf dem Gebiet der Musik „absurdą symphonia“, „absurda cantus“ für Jazz beziehungsweise Schlager. Man sieht, Kardinal Bacci, der langjährige Lateinfachmann der Kurie, und seine philologischen Mitarbeiter haben gewisse Erscheinungen der Moderne teils ironisch, teils moralisch etikettierend, in die Sprache der Kirche übertragen. In dem von ihnen verfaßten, unlängst um rund zweitausend neue Wortbildungen erweiterten Lexikon begegnet man nicht selten solchen philologischen „Stellungnahmen“.

Federico Fellini ist also ein „effector“, genau genommen, ein „Bewirket“, einer, der etwas — übrigens nicht ohne Erfolg (das liegt im Sinn des Wortes) — zustande bringt, es zu einem guten Ende führt, vollendet. Das mag nun für diesen reputierten Italiener zutreffen; für andere Filmregisseure gilt das leider nicht. Wäre es da nicht besser, den unverbindlicheren, zudem weithin, beispielsweise im gesamten angelsächsischen Sprachraum sofort verständlichen „director“, eigentlich „Leiter“, „Ausrichter“, zu wählen? Das ist vielleicht kein gutes Latein, aber sicherlich weniger zweideutig als der „effector“ der logischerweise nur einem Künstler zuerkannt werden darf.

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