Recht und Religion(en)

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Religion ist der Ort, wo wir Gott erfahren. Aber sie ist auch eine Institution, in der Normen gesetzt und interpretiert werden müssen. Nicht jeder schätzt diesen rechtlichen Aspekt von Religion. Er ist eine logische Folge der Frage, was Gott von uns erwartet und wie wir ihm und dem Nächsten begegnen sollen. Für Juden ist das Gesetz keine Belastung, sondern als Richtschnur des Lebens der ultimative Gnadenbeweis Gottes: Er will nämlich, dass wir in Gerechtigkeit leben.

Kommt es zu Normverletzungen, kann das markante Auswirkungen haben. Das zeigt der Karikaturenstreit um den Propheten Mohammed. Umso wichtiger ist es, mit den Wertsystemen der anderen vertraut zu sein.

Letzte Woche habe ich als Rabbiner die Arbeitsweise der römischen Kurie studieren dürfen. Mir war sympathisch, dass die katholische Kirche ein umfassendes, identitätbildendes Normensystem entwickelt hat, das dem jüdischen in nichts nachsteht. Einiges war mir fremd, vieles weist aber Analogien zum Jüdischen Recht auf. Meine Gastgeber waren wie ich davon angetan, dass es einen fruchtbaren Dialog zwischen Rechtssystemen geben kann, die in sich beide eine außerweltliche Begründung tragen: der Souverän ist der gleiche.

Das lässt mich hoffen, dass das interreligiöse Gespräch um eine spannende Facette bereichert werden kann: um die religiöse Rechtsvergleichung. Judentum und Islam legen nämlich wesentliches Gewicht auf diese rechtliche Betrachtung: als Ausfluss des Beziehungswunsches Gottes uns gegenüber. Nur wenn wir über unsere Normen ins Gespräch kommen können, lernen wir auch über unsere Werte - seien sie gemeinsam oder verschieden. Begegnung ist dabei immer ein Weg der kleinen Schritte. Das Wissen, wie mit heiligem Ernst um das Recht gerungen wird, macht es uns leichter, einander nicht zu verletzen.

Der Autor leitet das Europäische Rabbinerseminar in Potsdam.

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