Vom freien zum guten Willen

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Erzbischof Karol Wojtyla, Metropolit von Krakau die furche 18. 12. 1965

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden,

die guten Willens sind...

In diesem Jahr horcht die Kirche auf die Worte des Hymnus von Bethlehem ... im noch frischen Zusammenhang mit dem 2. Vatikanischen Konzil. Und da kann die Kirche nun feststellen, daß der Gehalt jener Worte die Hauptrichtung der Konzilsarbeiten vorzeichnete. Diese Arbeiten richteten sich auf die Bestimmung des Wesens der Kirche und ihrer Sendung "ad intra" und zugleich "ad extra" auf die Bestimmung des Verhältnisses der Kirche zur Welt und auf ihre Sendung gegenüber der Menschheit von heute. Dies war die grundsätzliche Zielsetzung des Konzils, dies die innere Logik seines Wirkens. In der Heiligen Nacht läßt sich nun feststellen, daß diese Zielsetzung und diese Logik den Worten des Hymnus von Bethlehem entsprochen haben.

Wenn wir vor dem Stall der Weihnacht stehen, werden wir uns ganz konkret klar darüber, was der Ausdruck "missio" - Sendung - bedeutet. Da wurde Gottes Sohn vom Vater gesandt in der Einheit des Heiligen Geistes - wurde zu den Menschen gesandt. [...] Und deshalb wird die Kirche, wenn sie im Jahr der Konzilbeendigung zum Stall von Bethlehem tritt, nicht nur zum Zeugen ihres eigenen Anbeginns auf Erden, sondern ... sie wird sich auch ihres übernatürlichen Wesens und ihrer eigenen Mission besonders bewußt, wie sie im 1. Abschnitt der Konstitution "Lumen gentium" definiert worden ist. Aus diesem Wesen und aus dieser Sendung ergibt sich, daß die Ehre Gottes lebendiges, der Kirche anvertrautes Gut und die Aufgabe der Kirche unter den Menschen ist. [...]

Wenn die Kirche 1965 nach Vollendung der Arbeiten des 2. Vatikanischen Konzils am Stall von Bethlehem steht, gibt sie ... ihrem Herrn darüber Rechenschaft, wie sie sich in das Problem des Menschen und in alle menschlichen Probleme engagiert, in menschliche Zeitlichkeit und Gegenwart.

Der Mensch ist ein freies Wesen. Unabhängig davon wie wir die Worte des Hymnus von Bethlehem über den "guten Willen" auslegen - von der Seite Gottes, der den Menschen seinen guten Willen erzeigt, oder von der Seite der Menschen, welche diesen guten Willen aufweisen sollen -, in jedem Fall deuten diese Worte auf die Freiheit des Menschen hin. Das Konzil hat diese Freiheit noch einmal bestätigt. [...] Die Worte von Bethlehem, worin von den "Menschen, die guten Willens sind" gesprochen wird, ... enthalten gleichsam in lapidarer Kurzform die Zusammenfassung aller menschlichen Moral. Die Moral ist nun der innere Weg des Menschen und der Menschheit vom freien Willen zum guten Willen. Das ist ein schwerer Weg - denn dem Menschen droht ständig der Mißbrauch der Freiheit, im Maßstab des einzelnen wie ganzer Gesellschaftsordnungen.

Das Evangelium soll dem Menschen einen guten Gebrauch seiner Freiheit ermöglichen, es soll den Weg vom freien zum guten Willen zeigen. Die Kirche hat auf dem Konzil das Evangelium verkündet und sich dabei bemüht, mit seiner Hilfe zu jenen Fragen vorzudringen, welche ... besondere Schwierigkeiten darstellen. Die Kirche tat das nicht nur in Form einer kategorischen Forderung nach gutem Willen, sondern sie suchte auch Mittel und Wege, diesen guten Willen auszulösen. Zu diesem Zweck wurde die Kirche nicht nur zum Lehrer wie Christus selbst, sondern ebenso zum Gesprächspartner, der ... die Diskussion mit der ganzen Menschheit führt.

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