Blatt - © Foto: Pixabay

Das Garten-Kapital und seine Mehrwerte

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Wie die Natur aufs Schönste das ökonomische Wechselspiel zwischen Geben und Nehmen vorlebt. Und was wir uns nicht alles davon abschauen könnten.

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Wie die Natur aufs Schönste das ökonomische Wechselspiel zwischen Geben und Nehmen vorlebt. Und was wir uns nicht alles davon abschauen könnten.

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Der Mensch neigt ja von Natur aus zum Genie. Er hat sieben Weltwunder gebaut und er hat die Rätsel der Welt benannt, er hat die Relativitätstheorie erdacht. Das ist nicht nichts. Der Mensch ist ein Denker und ein Logiker, also schon etwas Besonderes. Ganz genial.

Aber gerade, wenn es Frühling wird und die Temperaturen steigen wie in diesen Tagen auch, dann ändert sich das Bild. Gehen Sie einmal im Frühjahr in einen Gartenmarkt, da sehen Sie die Menschen ganz anders. In ihrer ganz unlogischen Natürlichkeit. Allein, zu zweit, in ganzen Gruppen sieht man sie vor einfachen Pflanzen in die Knie gehen, Blätter zart betastend, jede Faser eines Grashalms innig betrachtend.

Und zu Hause sieht man sie schon seit Frostende in ihrem Garten - vollkommen unlogisch. Sie ruinieren sich die Wirbelsäulen beim Umstechen und Torfen, beim Einpflanzen und Aussäen. In ihren Wohnungen hört man sie sogar mit ihren Gummibäumen sprechen, während sie zärtlich Wassernebel aus Fläschchen versprühen.

Und ist es nicht ganz erstaunlich, dass dieser Hang zum Grün unsere ganze Kultur prägt? Kann es ein Zufall sein, dass der Mythos des Menschen in einem Garten beginnt, von dem schon auf Seite 3 die Rede war. Und ist es ein Zufall, dass sich die ideale Landschaft des Durchschnittsmenschen als eine Wiesenlandschaft mit Baumgruppen hie und da darstellt?

Biologische Ökonomie

Selbst die Professoren der Ökonomie sind schon im Garten fündig geworden. Joseph Schumpeter hat seine Idee von der Konjunktur als Kreislauf der "schöpferischen Zerstörung" aus der Biologie bezogen. Dass also alle wirtschaftliche Evolution den Niedergang eines älteren wirtschaftlichen Entwicklungszustandes bedeutet. Dass auch die Energie des neuen Schaffensprozesses sich aus dem Kapital speist, das der alte Prozess aufgehäuft hat.

Noch etwas radikaler als Schumpeter hat sich Karl Marx der Sache angenähert, nicht durch Evolution, sondern durch Revolution. Aber was steht nach all den Umwälzungen seines historischen Materialismus, nach dem Sozialismus, in dem die Arbeiterklasse die Produktionsmittel in reinen Fortschritt verwandelt und sich selbst ihr Paradies schafft. Was steht also zuletzt? Marx denkt sich einen Landschaftsgarten, in dem der Arbeiter an einem Teich sitzt und Fische fängt, statt zu arbeiten. Und wieder sind wir im Garten angelangt.

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