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Mehr in die Frauen investieren

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Der jährlich erscheinende Human Development Report beschäftigt sich heuer mit der Situation der Frauen weltweit. Ein besonderer Index versucht, den Grad der Gleichstellung der Frauen in einzelnen Ländern zahlenmäßig zu erfassen.

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Der jährlich erscheinende Human Development Report beschäftigt sich heuer mit der Situation der Frauen weltweit. Ein besonderer Index versucht, den Grad der Gleichstellung der Frauen in einzelnen Ländern zahlenmäßig zu erfassen.

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Die Achtziger waren Jahre, als Budgets ins Lot gebracht wurden um den Preis, menschliche Existenzen aus dem Lot zu bringen. Unter den am meisten Betroffenen: Frauen ... Selbst wo die Konsolidierung gelang, erfuhren die Menschen keine bemerkenswerte Verbesserung ihres Lebens.”

Der Human Development Beport (HDB), heuer bereits zum sechsten Mal für das Entwicklungsprogramm UNDP erstellt, positioniert sich mit klaren Worten. Und analysiert - wenige Wochen vor der Frauen-Konferenz in Peking - die ungleichen Entwicklungschancen von Mann und Frau.

So waren gerade 28 von 634 No- ' belpreisträgern weiblichen Geschlechts, zwölf davon wurden gemeinsam mit Männern ausgezeichnet. Frauen arbeiten durchschnittlich mehr und zu zwei Drittel unbezahlt. Sie stellen zudem das Gros der 1,3 Milliarden Menschen, die weltweit in Armut leben.

In einem Großteil der Entwicklungsländer wird ihnen sogar das Verfügungsrecht über den Boden vorenthalten, den sie bestellen. Zu Redaktionsschluß des Berichts verzichteten Dutzende Länder auf einen weiblichen Beitrag auf Ministerebene. Selbst in den Industriestaaten mit dem größten Frauen-Anteil belief sich dieser auf lediglich 15 bis 40 Prozent. Der Bericht scheut sich auch nicht, für die Vereinten Nationen unvorteilhafte Zahlen aufzulisten: Ganze vier von 27 UN-Agentur-Chefs sind Frauen.

Die Analyse der Diskriminierung im diesjährigen Bericht ist nicht Selbstzweck. Der Human Development Beport steht für ein menschliches, soziales Verständnis von Entwicklung. Für ein Gleichgewicht aus Gesundheit, Wissen und Fähigkeiten einerseits und deren Nutzung für wirtschaftlich-produktive, aber auch politische, kulturelle, soziale sowie Freizeit-Aktivitäten andererseits.

„Menschliche Entwicklung”, erläutert der Report sein und seiner Erfinder Konzept, „ist ein Prozeß, der die Wahlmöglichkeiten von Menschen vergrößert.” Vor allem mit dem alljährlich erstellten Human Development Index (HDI), einer Kombination aus gewichtetem Pro-Kopf-Einkommen, Lebenserwartung und Bildungsgrad, hat der Bericht dem rein an der Wirtschaftsleistung orientierten Wachstumsdenken eine mittlerweile etablierte Kenngröße entgegengestellt. *

An der Spitze stehen Kanada, die USA und Japan, danach Industriestaaten mit Osterreich an 14. Stelle. Wenig überraschend folgen Israel, Zypern, Hongkong, Barbados und die Bahamas. Am Ende rangieren fast nur afrikanische Staaten. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der HDI aufgrund niedrigerer durchschnittlicher Löhne und geringerem Frauen-Anteil am Erwerbsleben bereinigt und zum neuen Gender Development Index (GDI) wird.

Am wenigsten diskriminiert wird laut dieser Liste offenbar in Schweden, in Finnland und in Norwegen. Spanien und die Niederlande wurden empfindlich zurückgestuft. Auch das Gender Empowerment Measure (GEM), ein ebenfalls neuer Maßstab für Frauen-Einkommen sowie Karrierechancen in Politik und Wirtschaft, reiht die nordischen Länder an der Spitze.

Dank seiner gegenüber den Vorgängern unveränderten Bubriken mit Entwicklungsdaten kann der Bericht zur Neuorientierung von Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Sozial- und Entwicklungspolitik Anlaß und Hilfe geben. Wenn etwa - einmal mehr - die eklatanten internen Unterschiede in einzelnen Entwicklungsländern schwarz auf weiß festgehalten werden. Beispiel Afrika jenseits der Sahara: Während drei Viertel der Menschen in der Stadt über sichere Wasserversorgung verfügen, sind es auf dem Land gerade 35 Prozent.

Bleibt zu hoffen, daß bei der Umsetzung diverser Programme nicht doch die ökonomistische Sicht durchschlägt, wie sie im Gastkommentar der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland anklingt: „Es ist Zeit, daß wir erkennen, daß In -vestitionen in die Frau der einzige Weg zu höherer Produktivität einer Gesellschaft als Ganzer sind.”

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