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Unzufriedenheit der Bevölkerung

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Nur sehr schleppend vollzieht sich in Rumänien der Transformationsprozeß zur Marktwirtschaft.

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Nur sehr schleppend vollzieht sich in Rumänien der Transformationsprozeß zur Marktwirtschaft.

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Rumänien erreichte zwar im vergangenen Jahr durch eine massive Ausweitung des Budgetdefizits und der Geldschöpfung eine Belebung der Industrieproduktion; das Karpatenland ist aber damit der einzige südosteuropäische Staat, in dem die galoppierende Inflation (256 Prozent für 1993) nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte, sondern auch heuer steigende Tendenz aufweist.

Außerdem kämpft Rumänien mit seinen anderen Problemen weiter — Frucht des Erbes des kommunistischen Regimes. Da wurde eine weitgehende Autarkiepolitik betrieben, sodaß das Karpatenland eine praktisch alle Bereiche abdeckende Industrie hatte beziehungsweise immer noch darüber verfii/rt. Diese In dustrie war allerdings auf den Come- con-Markt abgestimmt, sodaß sie heute mit großen Absatzproblemen zu kämpfen hat. In vielen Bereichen bestehen bedeutende Überkapazitäten beziehungsweise große finanzielle Engpässe. Ungelöst bleiben insbesondere die ungebremsten Preissteigerungen, die steigende Arbeitslosigkeit (fast elf Prozent Anfang dieses Jahres) sowie die Absatz- und Finanzierungsschwierigkeiten der Industrie.

Die Verteuerung des Lebens droht den bescheiden entlohnten öffentlich Bediensteten, aber mehr noch den Rentnern eine bittere Zukunft zu bescheren. Es wächst die Unzufriedenheit unter der Bevölkerung. Aus dem Blickwinkel der Außenwirtschaftsbeziehungsweise Außenbeziehungen betrachtet, kann Rumänien in jüngster Vergangenheit aber auch auf einen Erfolg zurückblicken. Ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds bringt Rumänien Finanzhilfe im Ausmaß von 850 Millionen Dollar. Das Abkommen mit dem IMF umfaßt verschiedene struktürverändernde Maßnahmen wie marktgerechte Zinsen, Budgetdisziplin und Wechselkursliberalisierung. Ein erster Schritt in Richtung Wechselkursfreigabe wurde mit der Abwertung des Lei um 18,9 Prozent gesetzt, sie konnte termingerecht am 1. August voll erreicht werden.

Von dieser Wechselkursliberalisierung erwartet man sich, daß die exportierenden Betriebe ihre Devisen auf den Markt bringen. Eine bessere Versorgung des Devisenmarktes wäre zugleich aus der Sicht der Importeure wünschenswert, da dadurch die chronischen Überweisungsprobleme ein Ende finden würden. Ebenso setzte man in der Zinspolitik Schritte in Richtung Marktkonformität, um über die Zinsen die hohe Inflation zu bekämpfen. Die ausländischen Investitionen in dem Karpatenland betragen laut Entwicklungsagentur 771 Millionen Dollar.

Rumänien plant jetzt im Herbst eine sogenannte Massenprivatisierung von rund 3.000 Staatsbetrieben durchzuführen, um der bisher sehr schleppend verlaufenden Privatisierung einen starken Anstoß zu geben. Das Regierungsprogramm sieht die Verteilung von Aktien an die Bevölkerung vor. Dabei sollen bis zu 60 Prozent des Kapitals jedes Betriebes gegen Zertifikate und Coupons einf;etauscht werden, die fast unentgeltich an die einheimische Bevölkerung ausgeteilt wurden und noch ausgeteilt werden. Die restlichen Aktien sollen an in- und ausländische Investoren verkauft werden.

Das Programm wird seit Juni in den lokalen Medien ausführlich kommentiert, aber mit recht widersprüchlichen inhaltlichen Einzelheiten. Die Regierung will jedem Bürger zusätzlich einen einzigen neuen Privatisierungscoupon geben, der im Gegensatz zu den fünf 1992 erhaltenen Zertifikaten nicht übertragbar ist und einen Nominalwert von 875.000 Lei (5.775 Schilling) hat, während die alten Zertifikate einen Wert von je 25.000 Lei (165 Schilling) hatten.

Die beabsichtigte Beschleunigung der Privatisierung ist zweifelsohne ein positiver Schritt inmitten chaotischer Erscheinungen der Mißwirtschaft und „wilder Privatisierungen“. Oppositionspolitiker und Wirtschaftsfachleute warnen aber vor einer Verwirrung und charakterisieren die Massenprivatisierung als populistische Maßnahme.

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