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Werbung - kleinkariert

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Die kürzlich abgehaltene Werbewirtschaftliche Tagung Österreichs stand unter dem Generalthema „Werbung zwischen Utopie und Realität“ — ein Stichwort, das so recht dazu einlädt, vom Hundertsten ins Tausendste zu schweifen. Und so pflegt es ja auch Jahr für Jahr ein bedeutender Teil der Vortragenden zu halten.

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Die kürzlich abgehaltene Werbewirtschaftliche Tagung Österreichs stand unter dem Generalthema „Werbung zwischen Utopie und Realität“ — ein Stichwort, das so recht dazu einlädt, vom Hundertsten ins Tausendste zu schweifen. Und so pflegt es ja auch Jahr für Jahr ein bedeutender Teil der Vortragenden zu halten.

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Wäre zufällig das Motto der letzten oder vor- oder vorvorletzten Werbetagung auf die Einladungen geraten, so hätten wahrscheinlich nicht allzu viele Teilnehmer bemerkt, daß da etwas nicht stimmte. Aber nicht nur die Austauschbarkeit allzu viele? Referate erzeugt von Jahr zu Jahr wachsendes Unbehagen. Es ist vor allem die Form, in der die Tagung organisiert ist, die von Jahr zu Jahr mehr als verzopft und unzweckmäßig in Frage gestellt wird. Hauptfunkrtion der Werbetagung: Sehen und gesehen werden. „Repräsentieren.“ Deponieren wohlvorbereitet „improvisierter“ Sätzchen zu diesem oder jenem Zweck. So tun, als ob.

So tun, als ob, ist auch noch immer die zäh verteidigte (und verleugnete) Haltung weiter österreichischer Wirtsohaftskreise der Werbung gegenüber. In Österreich werden gegenwärtig rund 380 Schilling pro Kopf der Bevölkerung und Jahr für Werbung ausgegeben, gegenüber mehr als 1000 Schilling in der Bundesrepublik Deutschland und 2000 Schilling in den Vereinigten Staaten.

Auch der Anteil der Werbeaufwendungen am Biruttonationalprodukt qualifiziert Österreich als unterentwickeltes Werbeland. Mit schätzungsweise 1845 Mill. S Werbeausgaben im Jahr 1968 bleibt Österreichs Werbeaufwand hartnäckig weit unter einem Prozent, ähnlich wie in Ländern wie Finnland oder Israel, wobei aber in Betracht gezogen werden muß, daß diese Staaten noch kein Werbefernsehen besitzen und uns eines nahen Tages, mit Einführung der TV-Werbung, mit einem Sprung überholen werden. Die hochentwickelten Industriestaaten der westlichen Welt, in denen Werbefernsehen existiert, geben zwischen 1,5 und 3,8 Prozent ihres Sozialprodukts für Werbezwecke aus.

Grund solcher Zurückhaltung hierzulande ist weniger echtes Nichtkön-nen aus finanziellen Gründen als vielmehr ein tiefsitzendes, oft unbewußtes Vorurteil gegen die Werbeleute, in denen man „Künstler“, wenn nicht gar „Bohemiens“, mithin höchst verdächtige Existenzen, sieht. Unkonventionelle Werbung ist in Österreich kaum zu verkaufen, Kampagnen wie die von Herberstein für Humanic konzipierte, auf langfristige Imagebildung angelegte Werbung stehen hierzulande weitgehend allein, obwohl sie sich längst als außerordentlich wirkungsvolles Instrument des Marketings erwiesen haben — die emotionellen Hemmungen sind einfach stärker. Der Konkurrenzkampf treibt seltsame Blüten. Obwohl seriöse Großagenturen die branchenübliche Medieprovision von 15 Prozent längst als zu niedrig für echten „Full-service“ erkannt haben, soll es in diesem Land Agenturen (und gar nicht so kleine) geben, die behaupten, ihre Kunden mit vier Prozent von den Insertionsgebühren vollwertig betreuen zu können. Dazu kommt das Mißtrauen vieler Auftraggeber, die in den Werbe-leuiten kreative Hilfsarbeiter sehen, denen man konkrete Marketingunterlagen besser nicht in die Hand gibt. (Öfter als anderswo meint hier der Auftraggeber, der beste Werbe-konzeptionist sei er selbst.) Es spielt mit, daß manche Firmen, würden sie ihren Agenturen vertrauen, in zehn Jahren zehn verschiedenen, miteinander konkurrierenden Gesprächspartnern ihre intimsten Geheimnisse offenbaren müßten, denn unter dem obligaten jährlichen Agenturwechsel tun es heute noch immer viele nicht. Sie glauben, die kostspieligen Präsentationen, mit denen die Agenturen notgedrungen um die Gunst potentieller Auftraggeber ringen und die in manchen Fällen mehr einer Show als einer geschäftlichen Besprechung ähneln, geschenkt zu bekommen. So eine Präsentation kann leicht 100.000 Schilling kosten. Wenn der ganze Etat zwei Millionen wert ist, bleiben der gewinnenden Agentur 300.000 Schilling für ihre gesamten Kosten im Laufe eines Jahres, die Präsentationskosten muß sie 'in diesem Betrag notgedrungen unterbringen. (Und das Geld für jene Präsentationen, die nicht zu einer Auftragserteilung geführt haben, fält auch nicht vom Himmel.)

„Wie sollen wir den Agenturen vertrauen, wenn sie oft unreife, frischgebackene Kontakter auf uns loslassen?“ meinte jemand in einer der Tagungsdiskussionem Worauf Franz Alexander Späth (J. W. Thompson) konterte: „Wir haben auch nicht über die Qualifikation unserer Gesprächspartner gesprochen!“

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