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Fit und aktiv für den Alltag

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Ein Blick in Reisekataloge oder in den Touristikteil von Tageszeitungen macht eines deutlich: Nicht mehr die klassische Kur wird stark beworben, Aktiv- und Gesundheitsangebote sollen die „neuen“ Gäste bringen. Kein Wunder – zeigt doch der klassische Kurtourismus rückläufige Tendenz, hingegen boomt das Geschäft mit den Gesundheitsurlauben wie nie zuvor. Sie machen bereits rund zwölf Prozent aller Urlaubsaufenthalte aus.

Im Gesundheitsdenken hat sich in den letzten Jahren ein Paradigmen-Wechsel angebahnt, der etwa wie folgt lautet: „Weg von der passiven Leideform und hin zur aktiven Mitgestaltung der eigenen Gesundheit.“

Doch nicht Krankheit, sondern Gesundheit und Leistungsfähigkeit zählen in einer Gesellschaft, die ganz in Richtung Leistung auszuarten scheint. Schlankheit, Fitneß und Gesundheit stärken unser Selbstimage und ebenso das Bild, das wir gerne von uns verbreitet sehen. Daher trat der Gesundheitstourismus seinen Höhenflug abseits der mit einem kranken Image behafteten Traditionskurorte an.

Die Aktivstory begann mit „Bio“ und der „Körndlkost“, und über Nacht avancierte manch abgelegenes Ferienquartier plötzlich zum „Gesundheitszentrum“. Die Aufbauwochen folgten. In idyllischer Umgebung und mit Hilfe eines täglichen Aktivprogramms und einer kalorienreduzierten Diät werden Fitneß- und Abnehmerfolg praktisch schon vor Antritt des Gesundheitsurlaubs garantiert.

Früh morgens aus den Federn, auf zum Wassertreten. Da ist für aktives Erwachen mit Sicherheit gesorgt. Nach dem Frühstück ab in die Kraftkammer. Eine kurze Verschnaufpause, und weiter geht es mit „Cardio-Power“, denn auch für das Herz will etwas gemacht sein. Zur Regeneration noch in den Hotelpool, der Vormittag wäre geschafft. Der Nachmittag verläuft ähnlich, nur eben outdoor, beim Joggen, Walken oder Biken und zwischendurch gibt es irgendwann eine Raftingfahrt, um auch die Abenteuerlust noch zu befriedigen. Kaum zurück, folgt ein Vortrag über gesunde Ernährung, man ist ja schließlich hier, um auch etwas zu lernen. Fast hätten wir vergessen, da wäre ja noch der Streß. Den bekämpfen wir mittels Mindmachines in der allabendlichen Entspannungssitzung.

Nach einer Woche starten wir dann richtig durch, mit Muskelkater in den Beinen, aber sonst rundum fit. Und nach der Heimkehr machen wir dann weiter – wie eh und je.

Der neueste Renner am Gesundheitshimmel ist nun Wellness. Egal, was eigentlich dahinter steckt, Hauptsache, es verkauft sich. So heißt es etwa im Werbeprospekt eines Urlaubsaktivclubs: „Faulheit raus – Fitness rein, das ist Wellness. Wow!“ Eine andere Gruppe neu erblühender Wellnesshotels sieht Wellness wiederum etwas anders und führt als wichtigsten Wellness-Schwerpunkt das riesige Frühstücksbüffet an. Immerhin gibt es zur Abrundung dann auch noch einen Wellness-Sportraum.

FAULHEIT RAUS, FITNESS REIN?

Dabei steckt hinter Wellness tatsächlich eine weise und wissenschaftlich fundierte Strategie zur individuellen Gesundheitsförderung. An die 2.000 amerikanische Kliniken, Wirtschafts- und Verwaltungsunternehmen verfügen derzeit bereits über eigene Wellness-Departments zur Gesundheitsförderung. Wellness spricht all jene Komponenten an, die im persönlichen Ändemngsbereich des Menschen liegen: Bewegung, Ernährung, Gewichtskontrolle, Streß- und Zeitmanagement, Sucht- und Genußmittel, den Umgang mit privaten und beruflichen Beziehungen, um nur die wichtigsten von ihnen zu nennen. Und über all diesen Dingen steht ganz groß „Verhaltensänderung“.

Verhaltensmodifizierende Programme sind tatsächlich die einzigen, die sich in zwei Jahrzehnten Erfahrung mit aktiver Gesundheitsförderung als erfolgreich erwiesen haben, selbstzerstörerische und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen schrittweise zurückzudrängen. Wir wissen ja eigentlich sehr gut, was krank macht. Der Appell an unseren Verstand reicht allein nicht aus, um das Handeln zu verändern. Genauso wie die Kur jahrzehntelang therapiebegleitende verhaltensverändernde Maßnahmen weitgehend ignorierte und sich ausschließlich auf zeitlich beschränkte Reparatur spezialisierte, macht dies nun der Gesundheitsund Aktivurlaub.

Er gaukelt Ihnen vor, daß Sie mit einer Woche intensiver Aktivkur die restlichen 51 Wochen kompensieren können. Und so mancher Fißneßguru glaubt dies anscheinend auch noch selbst.

STRATEGIEN FÜR DANACH

Was spricht für Aktivkur und Gesundheitsurlaub?

Die „schönste“ Zeit des Jahres bietet zumindest die gute Chance, abseits von Beruf und Streß für Gesundheitsfragen ein wenig sensibler zu werden und die eigene Situation mitunter zu überdenken. Aktivkur und Gesundheitsurlaub müssen sich primär als Lernmodell verstehen und sich auch klar als solches deklarieren. Denn ohne die Aneignung entsprechender Selbstmanagementmethoden hat auch Aktivkuren alleine noch wenig Sinn.

Das wichtigste ist, Sie darauf vorzubereiten, was danach kömmt. Sie müssen sich im Rahmen Ihres Gesundheitsaufenthaltes Strategien angeeignet haben, die Sie allmählich und schrittweise in Ihren Lebensalltag integrieren können. Und weniger ist in vielen Fällen mehr.

Was können Aktivkuren und Gesundheitsurlaub nicht?

Genau das, was die meisten Menschen von ihnen erwarten: Leistungssteigerung in einer Woche, Gewichtverlust auf Dauer und vieles mehr. Sehr viele Anzeigen diverser Gesundheitsanbieter garantieren diese Dinge leider schon im vorhinein. Wer sich in so kurzer Zeit Gesundheit und Fitneß holen will, sollte die Gesetzmäßigkeiten der biologischen Anpassung besser kennen.

Auf der gesundheitlichen Habenseite ist also insgesamt sehr wenig zu vermerken, denn ein oder zwei Wochen im Jahr können nicht das wettmachen, was man in den fünfzig anderen versäumt. Denn auf den Aktivurlaub umgemünzt, bedeutet dies nicht mehr als die Fortsetzung des Alltagsstreß im Urlaub, nur eben mit anderen Mitteln.

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