Let there be Brights

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Die Brights-Bewegung tritt für eine wissenschaftliche Weltsicht ein. Die Furche sprach mit einem ihrer hellsten Köpfe: Dem Philosophen und Darwinisten Daniel C. Dennett.

Die Furche: Herr Professor Dennett, Sie sind einer der bekanntesten Vertreter der Brights-Bewegung. Was ist Ihre Mission?

Daniel C. Dennett: Ich bin nicht einer der Begründer. Ich bin lediglich jemand, der auf die Bewegung aufmerksam macht. Die Mission in den Staaten war einfach, das Bewusstsein der Amerikaner dafür zu schärfen, dass viele ihrer Freunde oder Verwandten Brights sind. Wir machen das gleiche wie die Homosexuellen, als sie den Begriff Gay (Anm. wörtlich: fröhlich) einführten. Viele Homosexuelle mochten diese Bezeichnung am Anfang nicht, aber die Toleranz und Offenheit, die dadurch erzielt wurde, war gewaltig. Wir wollen das gleiche mit dem Wort Bright erreichen. Es ist positiv und auch ein wenig frech.

Die Furche: Wie groß ist die Bewegung heute?

Dennett: Das weiß ich nicht. Aber seit meinem Artikel in der New York Times sind viele tausende Menschen dazugekommen. Einige Atheisten sind nicht glücklich über die Bewegung. Aber ich mag sie, weil sie sich nicht auf Gott konzentriert, sondern auf den Naturalismus (Anm. eine wissenschaftliche Weltsicht, die übernatürliche Erklärungen ausschließt).

Die Furche: Ihr Buch „Breaking the Spell“ überrascht in vielerlei Hinsicht. Sie rufen dazu auf, Religionen zu untersuchen. Aber gibt es nicht eine lange Tradition von Religionsanalyse und Religionskritik?

Dennett: Ja. Aber beinahe immer mit Soft-Handschuhen an.

Die Furche: Was heißt das? Es gab doch sehr fundamentale Kritiken?

Dennett: Natürlich. Aber was es kaum gab, war eine Studium von Religion ohne positive oder negative Vorurteile. Es war so ein wenig wie das Studium von Musik. Es gab wunderbare Arbeiten über die Geschichte der Musik. Aber erst seit kurzem haben wir sorgfältige Experimente, die zeigen, wie Musik funktioniert. Viele Musiker wollen das nicht. Und mit der Religion ist es noch schlimmer.

Die Furche: Man wundert sich manchmal, was die Wissenschaft über die Religion herausfindet: Etwa wenn sie Tomographie-Bilder von meditierenden Mönchen macht – und daraufhin verkündet, den Sitz von Gott im Gehirn gefunden zu haben …

Dennett: Das ist doch lächerlich. Nein, das ist sicher einer der unwichtigsten Zugänge.

Die Furche: An welche Art von Forschung denken Sie denn?

Dennett: Ich erachte Religionen als hoch evolvierte Strukturen. Sie haben sich über Tausende von Jahren in Kulturen entwickelt. Und sie sind, in dem was sie tun, sehr gut. Bringt man sie in eine neue Umwelt, passieren ganz fantastische Dinge. Natürlich wollen wir uns in Zukunft vor toxischer Religion schützen. Vielleicht ist der einzige Weg dahin, dass wir sie ausrotten. Aber ich denke, dass das nicht der Fall sein muss. Besser ist es wohl, ihre Evolution so zu leiten, dass sie weniger toxisch wird. Aber wenn man das machen möchte, muss man Religion zunächst einmal exakt verstehen.

Die Furche: Wie studiert man sie am besten?

Dennett: Biologen haben Knock-Out Mäuse, schalten ein Gen aus und schauen, was passiert. Was passiert nun, wenn man einen Glaubenssatz oder ein Ritual ausschaltet? Natürlich kann man das nicht so machen. Aber tatsächlich tun das Religionen die ganze Zeit. Sie experimentieren auf ihre Weise. Nehmen wir das Zweite Vatikanische Konzil. Es war ein Versuch, die römisch-katholische Kirche so zu reformieren, dass sie gesünder und robuster wird. Viele Leute denken heute: Dieses Konzil war die Quelle aller Übel, die die Kirche jetzt plagen. Kurzum: Die haben die falschen Dinge ausgeschaltet. Das Beispiel zeigt: Was immer auch deine Beweggründe sind – ob du Religion nun retten oder auslöschen willst – es ist besser, wenn du es zuerst verstehst. Ansonsten machst du die falschen Schritte und erreichst damit vielleicht das genaue Gegenteil. In das Gehirn von Gläubigen zu schauen, bringt da wenig. Aber über die psycholo- gischen Effekte von Religion nachzudenken, das wäre wirklich wichtig. Wie schaffen es Religionen etwa, ein so starkes Gefühl von Loyalität zu erzeugen? Sie nutzen offensichtlich eine sehr alte menschliche Leidenschaft aus: Wenn du meinen Lieben weh tust, werde ich dich bekämpfen. Auch deshalb bekommt man so heftige Bauch-Antworten von Gläubigen, wenn man es wagt, ihre Religion zu kritisieren.

Die Furche: Wenn man Ihnen so zuhört oder auch Ihr Buch liest, hat man oft das Gefühl: Das ist eine anglo-amerikanische Angelegenheit.

Dennett: Es ist eine rein amerikanische Angelegenheit. Es existieren viele Theorien darüber, aber kein Konsens, warum die USA im Vergleich zu Europa hier so ungewöhnlich sind. Weil ich kein Experte bin, kann ich nicht sagen, welche Erklärung hier die beste ist. Wahrscheinlich ist die Antwort auch kompliziert. Ein Punkt scheint mir aber auffällig: Die USA kennen keine etablierte Kirche – wie etwa die Church of England. Stattdessen gibt es einen richtigen Markt für Religionen. Deshalb sind die Religionen hier auch so kräftig. Sie wetteifern alle um Gefolgschaft. Gerade die Mega-Kirchen ähneln eher einem Disneyland als einer Kirche. Sie sind so gebaut, dass sie attraktive Antworten auf menschliche Sehnsüchte haben. Und sie eliminieren alles, was Marktanteile kostet.

Die Furche: Was ebenfalls überrascht: Sie setzen all die Hoffnung in die moderaten Gläubigen, da diese die Extremisten konvertieren können.

Dennett: Warum überrascht Sie das? Das ist ein offensichtliches und deprimierendes Faktum. Das habe ich aus meinem Buch „Darwins Dangerous Idea“ gelernt. Dort habe ich mich mit den moderaten Muslims solidarisiert, die die Fatwa gegen Salman Rushdie kritisiert ha- ben. Daraufhin haben diese mir erklärt, dass sie dieses Bündnis nicht wollen – da sie sonst als Werkzeuge des Westens denunziert werden. Wir können also nur hoffen, dass sie ihr eigenes Haus sauber kriegen.

Die Furche: Es hat mich überrascht, weil Sie sich mit der Bright-Bewegung in eine Außenseiter-Position begeben. Wäre es nicht klüger zu sagen: Ich bin Darwinist und Christ?

Dennett: Einige wirklich interessante Reaktionen auf das Buch kamen von Anthropologen. Einer der besten Religionsanthropologen etwa meinte, dass ich damit viel Schaden anrichten würde. Warum? Weil Anthropologen hyperdiplomatisch arbeiten. Ihre Neugierde ist eingebettet in eine sehr ehrerbietige Sprache. Trotzdem – das sagt er auch – sind die Leute argwöhnisch. Ich glaube deshalb, es wäre besser, miteinander offener zu sein. Ich würde zu den Leuten sagen: Ich verstehe zwar wirklich kein Wort, von dem was ihr sagt, aber ich finde es interessant und möchte mehr darüber lernen. Es gibt nämlich einen schmalen Grat zwischen Höflichkeit und Lüge. Und ich bin für mehr Ehrlichkeit.

Das Gespräch führte Thomas Mündle.

Daniel C. Dennett war einer der Hauptreferenten an der zweiten Vienna Conference on Consciousness, die letzten Freitag in Wien stattfand.

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