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Doch noch Mischehenfrage?

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Zu einem sonderbaren Konzil freilich werden auch die Generalversammlungen, die nur noch abstimmen und nicht mehr diskutieren. Zwischen den Abstimmungen gibt es notwendigerweise Pausen. Da beginnen die Bischöfe naturgemäß sich zu unterhalten. Vergeblich hat der Generalsekretär Felici am 27. Oktober gebeten, sich in den leeren Augenblicken ruhig zu verhalten und stillschweigend zu beobachten, denn die Abstimmungen bedeuteten doch das Einbringen der Ernte von so viel Mühe und Arbeit, und diesen Augenblick gelte es, in gespannter Stille und Hoffnung zu erwarten. Aber Bischöfe sind meist nüchterne Männer und schöne Vergleiche beeindrucken sie nicht.

Für die Generalkongregation vom 9. bis 22. November hat man jetzt eine neue Art gefunden, die Lücken zu überbrücken. Die Präsidenten der Bischofskonferenzen werden' den Vätern die Ansichten darlegen, die sie zu den vom Papst ihnen vorgelegten Fragen erarbeitet haben. Interessanterweise gibt die Ankündigung Msgr. Felicis als Beispiel nur die Erneuerung des Ablaßwesens an. Das war bekanntlich die zweite Frage, fällt die erste über die Fastenordnung völlig aus? Ferner kann man sich fragen, ob nicht vielleicht auf diese Weise die Mischehenfrage nun doch nochmals gleichsam durch die Hintertüre vor das Konzil oder doch wenigstens vor die versammelten Bischöfe kommt. Man hat so oft gesagt, der Papst zögere mit der Veröffentlichung eines „Motuproprio“, weil die englischen und amerikanischen Bischöfe hier einen engeren Standpunkt vertreten würden als etwa die Franzosen und die Deutschen. Fragte man dann einzelne dieser Engländer oder Amerikaner direkt, taten sie immer sehr erstaunt. O nein, versicherten sie lebhaft, sie würden eine dem Ökumeneschema und der religiösen Freiheit besser Rechnung tragende Regelung der Mischehenfrage sehr begrüßen. Bohrte man dann weiter, wichen sie freilich aus. Wer weiß, ob nicht der Papst auf diese Weise ein Geschwür aufstechen will? Dann freilich würden diese Darlegungen unvermutet weit mehr als bloße Pausenfüller bedeuten. Doch sind das nur Mutmaßungen. Offiziell spricht man nur vom Ausfüllen der Pause.

Im übrigen muß niemand glauben, daß diese nichtkonziliare Konzilszeit eine unfruchtbare Zeit sei. Wen ich von den hiergebliebenen Bischöfen auch antreffe, der ist nach wenigen Minuten des Gesprächs bei der Frage, die er mit besorgter Miene stellt: „Und wie wird sich denn das alles in der Praxis auswirken?“ Die einen fragen das wie im Gespräch mit sich selbst, man merkt, sie haben schon viel darüber nachgedacht. Die anderen legen einem fast beschwörend die Hand auf die Schulter und sagen, es ist jetzt an euch, ihr Journalisten, all diese neuen Haltungen und Einstellungen, die das Konzil erarbeitet hat, lebendig und verständlich den Christen darzulegen.

Gewiß, ohne die Hilfe des Herrn wird die Erneuerung der Kirche nicht gelingen. Wer erwartet hat, eine Menge schön verpackter Rezepte mit nach Haus nehmen zu können, wird enttäuscht sein, Rezepte gibt es nur sehr wenig. Aber viele alte sind nicht mehr brauchbar. Dafür ist ein neuer Geist aufgebrochen und der hat etwas Revolutionierendes an sich. Man denke nur zum Beispiel an die Erklärung über die religiöse Freiheit. Ich habe letztes Mal die Klageschrift von Bischof Carli zitiert, die befürchtet, daß durch diese Erklärung der Geist des Revoluzzertums in katholische Kollegien und Semina-rien einziehen und jede Erziehung unmöglich machen werde.

Vielleicht haben sie das doch als absurd und weit hergeholt empfunden. Aber so ganz unrecht hat der Bischof Carli doch nicht. Dieser Tage traf ich einen Theologieprofessor an einem großen Seminar in Indien und sprach mit ihm über all die Probleme, welche das Dekret über die neue Priesterausbildung aufwirft. Plötzlich hielt er inne, sah in die Ferne und sagte: „Wissen Sie, weit nachhaltigere Wirkungen wird für die Seminarerziehung die Erklärung über die religiöse Freiheit haben. Durch sie wird vieles fast auf den Kopf gestellt, und da liegt meine große Hoffnung.“

„Sie sagen aber, die Erklärung zur religiösen Freiheit redet ja nur vom Recht der einzelnen oder religiöser Gruppen gegenüber dem Staat, der Staat darf nicht in die Sphäre der Religion und des Gewissens eingreifen mit direkten oder indirekten Zwangsmitteln. Was hat denn das mit Seminarerziehung zu tun?“

Gewiß, unmittelbar gar nichts, mittelbar aber sehr viel, denn die Begründung der religiösen Freiheit liegt in der Würde der menschlichen Person, die Erklärung sagt es mit aller Deutlichkeit. Sie gibt auch zu, daß die Kirche, obwohl sie immer lehrte, daß niemand zum Glauben gezwungen werden dürfe, doch im Lauf der Geschichte bisweilen in einer dem Geist des Evangeliums nicht entsprechenden, ja sogar ihm widersprechenden Weise gehandelt habe. Wer möchte bestreiten, daß von dieser Handlungsweise gewisse Spuren sich bis heute in unserer Erziehung erhalten haben, auch und vielleicht gerade in den Seminarien, die zwar sehr viel Wert legen auf die Darlegung der wahren Lehre, aber bei der Gewissensbildung über der Pflicht des Gehorsams, die natürlich wichtig ist, die Betonung und Achtung der Personwürde und der mit ihr gegebenen Rechte doch ein wenig oder auch stark vernachlässigen. Ich glaube, der Widerstand einer doch relativ großen Gruppe von Vätern gegen die Erklärung liegt nicht so sehr in ihrer Staatsauffassung und in der Angst, die Kirche könne durch Konkordate gesicherte Privilegien aufgeben müssen, sondern letztlich eben in ihrer Seminarerziehung. Sie irren aber, wenn sie meinen, ein Wandel in diesem Punkt werde Revolutionen hervorrufen in den Seminarien und die Priesterberufe verringern. Das genaue Gegenteil wird der Fall sein.

Es ist schließlich immer das gleiche, ob es sich, um Seminarien, Schulen, um die Laien oder die Presse handelt. Sucht man durch Druckmittel, durch Mauern, durch Verheimlichen, durch einen Wald von Einzelbestimmungen, die alle dem Mißtrauen entspringen, den Menschen auf den guten Pfad der Tugend zu führen, wird Mißtrauen durch Mißtrauen oder durch Ausweichen beantwortet. Setzt man dagegen Vertrauen in den Menschen, das der Hochachtung und dem Respekt vor seiner Personwürde entspringt, wird, vielleicht nicht bequemer, aber jedenfalls sicherer, ein wertvoller Mensch erzogen. Das ist nur ein Beispiel von vielen dafür, daß diese sonderbare Konzilszeit keine verlorene ist. Glücklich die Bischöfe, denen es vergönnt ist, in Ruhe durchzudenken, was aus den Texten dieses Konzils nun eigentlich praktisch folgen muß, denn die eigentlichen, von Gott gesetzten Lehrer und Hirten sind eben doch sie selbst.

(Aus einem Konzilskommentar im Österreichischen Rundfunk.)

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