6771919-1969_06_05.jpg
Digital In Arbeit

Nur Charme verkauft sich nicht

19451960198020002020

Als Vereinsobmann und nicht als Minister wollte der österreichische Handelsminister Otto Mitterer vor der versammelten Tresse sprechen. Als Obmann des Vereines für österreichische Fremdenverkehrswerbung erklärte Mitterer mit viel Pathos und wienerischem Humor die triste Situation, in der sich die österreichische Fremdenverkehrswerbung und damit der Fremdenverkehr selbst befindet. Was Kennern der Situation ohnehin bereits seit langem klar war, nämlich, daß die Kassa nicht stimmt, das trat wieder offen zu Tage. So ist zwar der Fremdenverkehr in Österreich wesentlich an der Abdeckung des Handelsbilanz-passivums beteiligt (1967/68 mit rund 76 Prozent), trotzdem aber stehen die Mittel für die Werbung nur in unzureichendem Maße zur Verfügung.

19451960198020002020

Als Vereinsobmann und nicht als Minister wollte der österreichische Handelsminister Otto Mitterer vor der versammelten Tresse sprechen. Als Obmann des Vereines für österreichische Fremdenverkehrswerbung erklärte Mitterer mit viel Pathos und wienerischem Humor die triste Situation, in der sich die österreichische Fremdenverkehrswerbung und damit der Fremdenverkehr selbst befindet. Was Kennern der Situation ohnehin bereits seit langem klar war, nämlich, daß die Kassa nicht stimmt, das trat wieder offen zu Tage. So ist zwar der Fremdenverkehr in Österreich wesentlich an der Abdeckung des Handelsbilanz-passivums beteiligt (1967/68 mit rund 76 Prozent), trotzdem aber stehen die Mittel für die Werbung nur in unzureichendem Maße zur Verfügung.

Werbung
Werbung
Werbung

Als typisch österreichisch bezeichnete der Minister allerdings die Lage, denn obwohl in allen mit dem Fremdenverkehr zusammenhängenden Institutionen und Betrieben die Mittel für Auslandswerbung sehr knapp sind, konnte man sich bisher nicht entschließen, in der Auslandswerbung gemeinsam vorzugehen. So leistet sich

• die ÖBB den Luxus, im Ausland allein und unabhängig in eigenen Werbestellen und mit eigenen Werbemitteln und Plakaten zu werben,

• die stark defizitäre AUA konnte sich bisher ebenfalls nicht entschließen, ihre ausländischen Verkaufsstellen und Werbemöglichkeiten mit der österreichischen Fremdenverkehrswerbung zusammenzulegen

• und dessen nicht genug, werben schließlich auch die Bundesländer und einzelne Städte unabhängig im Ausland, ohne dabei an den gemeinsamen Topf und an den gemeinsamen Erfolg zu denken. Die österreichische Fremdenverkehrswerbung war 1968 und in den vorhergehenden Jahren jedenfalls pro Kopf der Bevölkerung im Vergleich zu anderen führenden Fremdenverkehrsländern wie der Schweiz und Italien weit unterdotiert. Zwar mußte der Geschäftsführer, Ministerialrat Dr. Langer-Hansel für 1969 zugeben, daß das Budget gewachsen sei und optisch „immerhin zufriedenstellend aussehe“, die kaufmännische Wahrheit jedoch anders ausschaue, da praktisch durch diverse Kostenerhöhungen die Mittel für 1969 gleich hoch wie 1967 seien, wo ein Betrag von 52,246.000 Schilling zur Verfügung stand. Den Bundesländervorwurf, der Bund fördere den Fremdenverkehr im Verhältnis zu seinen Einnahmen daraus zu wenig, annullierte der Vereinsobmann Minister Mitterer sofort mit dem Hinweis, daß der Bund nicht nur 76 Prozent der Werbemittel für den Fremdenverkehr aufbringe (der Rest wird von Kammern und Ländern zu gleichen Teilen aufgebracht), sondern, daß die vier Millionen Schilling, die als Mehrbetrag im Budget 1969 erscheinen, ebenfalls vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie beigesteuert wurden.

Obwohl seit dem Jahre 1965, wo die gesamten Budgetmittel noch mehr über 39 Millionen Schilling betrugen, die zur Verfügung stehenden Mittel bis 1967 auf 52,2 Millionen Schilling angewachsen sind, was einer Steigerung um 13 Prozent entspricht und damit im Jahre 1967 die höchste Werbeleistung mit auch dem höchsten Devisenerfolg als Konsequenz erbracht werden konnte, hatte die Budgetkrise auch auf den Fremdenverkehrsverein ihre Auswirkungen. Denn stärker als in anderen Wirtschaftssparten wirkt sich die jährliche Kostensteigerung im Fremdenverkehr aus. Hier beträgt sie rund 10 bis 15 Prozent. Daher wären zwischen 1967 und 1969 auch 20 bis 30 Prozent mehr Mittel, das wären statt 4 Millionen 13 Millionen notwendig gewesen, um mit gleicher Wirkung für österreichische Gastlichkeit im In- und Ausland werben zu können.

Mitterer selbst mußte zugeben, daß das bei seinem Amtsantritt angekündigte Debakel zwar noch nicht eingetreten sei, daß aber die derzeitige Mindestwerbung das Maximum dessen sei, was derzeit geleistet werden könnte. (Mitterer: „Alle sagen zwar, daß etwas geschehen muß, aber keiner rührt ein Ohrwaschel.“)

Die starken Kostensteigerungen im Fremdenverkehr, die weit über dem Anstieg der üblichen Werbungskosten liegen, begründet der ministerielle Vereinsobmann

• einerseits mit der Tatsache, daß die Gehälter für gutes Personal im Ausland weit höher liegen als bei uns

• und daß anderseits viel über-altetes Personal um der Attraktivität und der Leistungsfähigkeit willen abgelöst werden mußte, wofür hohe Abfertigungssummen notwendig waren.

Die Bundesländer und die Bundeskammer aber bemerken zu der finanziellen Situation der österreichischen 'Fremdenverkehrswerbung, man habe sich ohnehin bereits im September 1968 entschlossen, je 1,2 Millionen, also insgesamt 2,4 Millionen mehr zu leisten. „Diese Injektion aber sei eben nur ein Tropfen für uns“, meinte Ministerialrat Dr. Langer-Hansel, die Injektion habe keineswegs eine Heilung des Patienten, sondern höchstens eine vorübergehende Linderung seines Zustan-des erbracht.

Mitterer allerdings sieht nicht nur in der Tatsache, daß ÖBB und AUA und andere Vereinigungen nicht gemeinsam mit der Fremdenverkehrswerbung arbeiten wollen, ein Krisensymptom, sondern er zog auch heftig gegen jene Kreise zu Feld, die das eigene Nest nach seiner Meinung beschmutzen. Als solche Netzbeschmutzer wurden vom Handelsminister

• die Presse verdonnert, die immer wieder konstruktive Kritik vermissen lasse und von der sich der Obmann mehr Verantwortungsgefühl wünschte,

• die Österreicher im allgemeinen, die noch immer nach seiner Meinung die Qualität des ausländischen Fremdenverkehrs höher schätzten als die im eigenen Land. (Mitterer: „Die Ausländer sind nach wie vor von unserem Charme begeistert.“)

• Und schließlich auch jene Kreise, die dem Skirennsport, „dem besten Werber für das Wintersportland Österreich“, nicht die entsprechende Förderung zuteil werden lassen.

Der Minister mußte allerdings selbst eingestehen, daß es notwendig sein werde, daß das immer mehr gefragte Winterangebot intensiviert werde und daß überhaupt die Qualität der Betriebe überall gleichermaßen verbessert und angehoben werden müsse. Und daß es in Österreich auch bei der Preisgestaltung nicht immer so ganz präzise im Fremdenverkehr zugeht wie in anderen europäischen Konkurrenzländern, war ebenfalls unbestritten, denn gerade für den Jugendtourismus forderte der Minister ein exakteres Angebot. Die Frage allerdings, wie Österreichs Fremdenverkehr im Ausland sich gegen die Prospekt- und Plakatoffensive der übrigen Großen, vor allem auch der Oststaaten, durchsetzen soll, wenn, wie man hörte, oft nicht einmal das Geld für wenige von Reisebüros angeforderte Plakate zur Verfügung steht, bleibt weiterhin unbeantwortet. Die kritisierte Presse jedefalls wurde in versöhnlichem Ton von Ministerialrat Doktor Langer-Hansel gebeten, weiterhin über alles, was Fremdenverkehr betrifft, unentgeltlich Public Rela-tions zu machen, weil so „ein wesentlicher Beitrag für die österreichische Wirtschaft geleistet werden könne“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung