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„Warum Konzept verdammen?“

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Furche: Herr Minister, vor wenigen Tagen wurde das Fremdenverkehrskonzept bekanntgegeben, das vom österreichischen Fremdenverkehrstag ausdiskutiert worden war. Man hat bereits daran kritisiert, daß dieses Konzept wenig Zukunftweisendes enthalte und vielmehr nur eine Bestandsaufnahme darstelle. Mitterer: Das Fremdenverkehr s-konzept wurde soeben an die zuständigen Stellen, das sind alle Ministerien und Landesregierungen, zur Stellungnahme übermittelt. Wenn diese Stellungnahmen vorliegen, dann erst wird die Bundesregierung das Nötige dazu beschließen. Es ist eine alte Krankheit in Österreich, daß man immer kritisiert: wenn nichts geschieht, wenn zu wenig geschieht oder wenn zu viel geschieht — immer wird genörgelt. Ein solches Konzept soll ja nur Leitbilder aufzeigen, Beschlüsse sollen dabei ja gar nicht vorliegen. Natürlich gehört auch eine Bestandsaufnahme dazu, man muß ja von etwas ausgehen.

Furche: Es wurde beanstandet, daß in dem betreffenden Konzept zum Beispiel beim Flugverkehr noch die Brüder Wright genannt werden, aber daß man auf die Jumbo-Jets, die Riesenflugzeuge der nahen Zukunft, vergessen hat. Mitterer: Man hat nur zur Gegenüberstellung der Entwicklung darauf Bezug genommen. Es wurde aber auch auf die Frage des zu erwartenden Gästestroms mit den Jumbo-Jets hingewiesen. Furche: Ist Österreich eigentlich im Hinblick darauf, daß der Zug immer mehr zum Urlaub per Flugzeug geht, gerüstet? Mitterer: Der österreichische Fremdenverkehr ist weitgehend vom Autotourismus beherrscht, weil wir größtenteils Gäste aus Nachbarländern halben. Die Frage des Fliegens und der Flugverbindüngen besteht bei uns nicht in erster Linie. Dagegen ist die Frage der Flugverbindungen mit dem amerikanischen Kontinent wichtig, und wir haben unsere Werbung über die Außenstellen entsprechend angesetzt. Sicherlich haben wir dazu noch zu wenig Mittel zur Verfügung, aber aus dem Wenigen haben wir das Beste herausgeholt. Es ist ja auch nicht so, daß wir keine Gäste aus Übersee in Österreich haben. Die Frage ist die, wie wir neben dem bisherigen Fkigindividualverkehr auch in Zukunft Schritt halten und den Gästesitrom auf uns lenken. Auch andere prominente Fremdeniverkehrsländer überlegen sich diese Frage bereits. Furche: Besteht aber nicht die Gefahr, daß Österreich — vor allem für amerikanische Gäste, die meistens Europatrips machen — ein Transitland wird?

Mitterer: Dieselbe Frage müßte sich die Schweiz stellen oder auch andere vergleichbare Länder. So viele schöne Länder — landschaftlich gesehen — gibt es ja auch wieder nicht. Wenn wir uns geschickt verhalten, können wir einen normal funktionierenden Fremdenverkehr aufrechterhalten. Sieher, man muß dafür werben.

Furche: Sie haben selbst vor einigen Tagen gesagt, daß für die Werbung im Ausland um acht Millionen Schilling mehr notwendig sein werden. Wird dieser Mehrbetrag für eine halbwegs wirksame Werbung genügen? Mitterer: Es gibt keinen Betrag, den man für den Fremdenverkehr in puncto Werbung als genügend wird bezeichnen können. Aber wir werden uns sicher in dem Konzert der werbenden Fremdenverkehrsländer behaupten können. Auch andere Länder haben nicht unbeschränkt Werbemittel zur Verfügung. Über unsere Außenstellen werden noch zusätzlich viele Bundesländergemeinden und Fremdenverkehrsvereine angesprochen — deshalb wäre eine Konzentration der Mittel für die Fremdenverkehrswerbung an nur eine Stelle verfehlt. Wenn man die Eineelwer-bung zum Beispiel der Gemeinden, der Verkehrsvereine und so weiter aufgeben würde, würden wir uns vieler Initiativen berauben. Außerdem gibt es ja spezielle Werbung für bestimmte Gebiete. Wenn wir alle Mittel zusammenrechnen, kommen wir schon auf ganz ansehnliche Größenordnungen.

Furche: In der Wirtschaft lautet das Gebot der Stunde: Konzentration. Könnte man nicht viel ersparen, wenn sich bestimmte Fremdenverkehrsgebiete zu einer gemeinsamen Werbung zusammenschließen könnten? Mitterer: Der Fremdenverkehr ist primär eine Landessache. Es entspricht also dem föderalistischen Aufbau unseres Staates, daß wir diese Tatsache respektieren. Im Fremdenverkehr wird aber vieles nicht konzentrationsfähig sein — obwohl man sicher Möglichkeiten zu einer diesbezüglichen Konzentration wahrnehmen wird. Furche: Kann der österreichische Fremdenverkehr derzeit noch mit dem Standard in der Schweiz oder in Deutschland und sogar in Italien — was die Qualität der Betriebe betrifft — standhalten? Mitterer: Ich glaube, man kann ein Land, das einen so gigantischen Fremdenverkehr wie Österreich aufweist (immerhin bringt der Fremdenverkehr über 16 Milliarden Devisen ein), beim besten Willen nicht unterentwickelt nennen.

Österreich ist eines der führenden Fremdenverkehrsiländer der Welt. Natürlich ist nichts nicht verbesserungsfähig. Man muß bedenken, daß die Ansprüche ständig steigen. Zimmer mit Bad war vor zehn Jahren noch vielfach ein Luxus — heute ist es Selbstverständlichkeit. Was den Komfort betrifft, können wir mit anderen Ländern durchaus Schritt halten. Im Fremdenverkehr ist Österreich europareif. Wir sind ein sehr gefragtes Fremdenverkehrsland, nicht zuletzt wegen einer speziellen persönlichen Note. Furche: Wird die „persönliche Note“ nach wie vor Nummer 1 der Werbung für Österreich bleiben? Mitterer: Ich möchte nicht sagen, Nummer 1 — man muß nämlich mit den Klassifikationen sehr vorsichtig sein. Aber es ist sicher richtig, daß die persönliche Dienstleistung und die persönliche österreichische Note ein entscheidender Faktor sind. Zur weiteren Hebung der Qualität der Fremdenverkehrsbetriebe werden wir im nächsten Jahr mehr ERP-Kredite vergeben — auch das war eine Forderung des erst kürzlich abgehaltenen Frerndenverkehrs-tages —, KreditverbilMgungen sollen mehr Platz greifen weil im Fremdenverkehr die Vorhaben sehr langfristig sind. Wenn alle Vorschläge des Frem-denverkehrsikonzeptes berücksichtigt werden, dann glaube ich, daß der Weg, der eingeschlagen wurde, richtig war. Es soll nicht bedeuten, daß sämtliche Vorschläge eines derartigen Konzeptes gleich morgen verwirklicht werden können. Es sind darin Vorschläge, die man sofort verwirklichen sollte, Vorschläge für die nächsten Jahre und solche für die Zukunftsentwicklung der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre. Wenn man die Dinge so betrachtet, kann ich nicht verstehen, warum man ein derartiges Konzept sofort nach seinem Bekanntwerden verdammt.

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