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Propeller lassen das Blut fließen

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Medizintechniker forschen seit Jahren mit Erfolg an Möglichkeiten, durch ein künstliches Herz das kranke Organ der Patienten zu entlasten.

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Medizintechniker forschen seit Jahren mit Erfolg an Möglichkeiten, durch ein künstliches Herz das kranke Organ der Patienten zu entlasten.

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Es ist unglaublich, was alles ersetzbar geworden ist”, zeigt sich selbst ein „alter Hase” wie der Grazer Physiologie-Professor Thomas Kenner überrascht, wenn er die Möglichkeiten der modernen Medizin und Technik Revue passieren läßt. „Abgesehen von Oldtimern wie ersetzten Zähnen, Goldplatten zum Ersatz eines zerstörten Kopfknochens und künstlichen Herzklappen kann man heute Knochen ersetzen, Gelenke, die optische Linse im Auge, Rlutgefäße, Hormone, die teilweise mit eingesetzten Pumpen zugeführt werden können, Organe wie vor allem das Herz, in ihrer Funktion aber auch Lunge, Nieren und lieber, die Schließmuskel von Harnblase und Anus können künstlich stimuliert und geregelt werden.”

Universitätsdozent Heinrich Schi-ma vom Wiener AKH, Zentrum für biomedizinische Forschung, assistiert: „Manche Ideen reichen weit in eine gestern noch für unmöglich gehaltene Zukunft hinein, wenn etwa aus Japan die Idee kommt, Mikromaschi-nen bis in die feinsten Rlutgefäße zu steuern, die dort ihre Aufgaben erledigen - zum Beispiel Ablagerungen wegzuputzen - und anschließend wieder zurückkehren.”

Der Medizintechniker forscht seit Jahren an Möglichkeiten, ein künstliches Herz einzusetzen, das das kranke, eigene Herz des Patienten auf Lebensdauer unterstützen kann.

Derzeit klappt es noch nicht so ganz. Schima dazu: „Man hat schon vor zwei Jahren geglaubt, so weit zu sein - aber es kamen einige Rückschläge. Ich meine, daß wir jetzt aber weltweit tatsächlich vor bedeutenden Fortschritten stehen.”

Fortschritt würde bedeuten: Neues künstliches Herz hinein, zusätzlich zum kranken Herzen dazu. Schima: „Wir wissen, daß manche Herzen sich wieder regenerieren, wenn man sie eine Zeitlang in Ruhe läßt. Für die Dauer von Wochen bis Monaten könnte das Kunstherz die ganze Arbeit leisten, während das kranke Herz sozusagen auf Kur ist. Hat der Plan funktioniert, und das kranke Herz hat sich erholt, kann man das künstliche Herz herausnehmen.”

Leben ohne Pulsschlag

Für solch eine Alternativpumpe gibt es verschiedene Varianten, darunter auch eine in Wien entwickelte, die keinen Pulsschlag mehr kennt. Es fließt ein von einem Propeller getrie bener stetiger Blutstrom. Den Gesundheitszustand mittels Puls zu messen, das wird dann nicht mehr gehen.

Professor Kenner: „Ich hätte früher nie geglaubt, daß der Organismus es toleriert, wenn der Puls ausfällt. Aber offensichtlich gibt es jetzt experimentelle Studien, die zeigen, daß es funktioniert. Ich bin sehr erstaunt.” Ein Total-Kunstherz, das von Anfang an anstelle des kranken eingesetzt wird, kommt prinzipiell nur für wenige Patienten in Frage: solche, deren eigenes Herz nur mehr Schaden stiftet oder ständig Verstopfungen erzeugt.

Herzinfarkt ist jedenfalls kein Anlaß, primär an das Kunstherz zu denken. Es sind eher jene Herzen, die nach einer Herzmuskelentzündung insuffizient, also zu schwach geworden sind.

Den am Kunstherzen arbeitenden Chirurgen hat das Herz an sich bisher jedenfalls den Meister gezeigt - nicht umsonst ist es das Zentralorgan des Körpers. Was einfach klingt: Blut in die Adern zu pumpen, wieder zurück-zusaugen und erneut auszustoßen, das ist mit einer Reihe von Problemen versehen. Nicht umsonst ist die Idee zwar 20 Jahre alt, aber bisher noch nicht wirklich Realität geworden (wenn man seine autonome Funktion über Monate als Ziel ansieht).Weltweitwar man bisher bei mehrals 1.000 Transplantationen erfolgreich, die mit Überbrückung durch ein Kunstherz vorgenommen wurden.

Es gibt aber nach wie vor Risken, die einen Dauereinsatz verbieten, so vor allem Gerinnselbildung wegen der künstlichen Oberflächen und wegen erhöhter mechanischer Beanspruchung. Auch das Infektionsrisiko ist hoch, weil ein solcher Patient sehr viele Kunststoffanteile in seinem Körper hat.

Auch die Achslager des Antriebs waren ein technisches Problem. Sie müssen mit dem Blut verträglich sein und dürfen nicht verklumpen. Eine neue Idee ist jetzt, die Rotoren magnetisch aufzuhängen, so daß man auf

Achslager überhaupt verzichten kann.

Dozent Schima: „Ich glaube, daß die Erfüllung des Traums, bei schwer Herzkranken durch ein Kunstherz das Leben wesentlich zu verlängern, und zwar bei guter Lebensqualität, als Routinemaßnahme in wenigen Jahren ansteht.”

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