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Pumpe statt Pumpmuskel ?

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Nach langem Forschen und Experimentieren konnte einem Menschen ein künstliches Herz eingesetzt werden. Zum routinemäßigen „Einbau" künstlicher Herzen ist es freilich noch ein weiter Weg.

Heutige Kunststoffe halten der Beanspruchung eher Monate als Jahre stand. Aber schon elf Jahre lebt ein Mensch mit einem fremden Herzen. Viele Herzspezialisten halten daher das Kunstherz heute allenfalls für eine Ubergangslösung, die das Leben eines Patienten erhält, bis ein Spenderherz zur Verfügung steht.

Nichts spricht dagegen, daß eines Tages künstliche Herzen das Leben vieler Menschen verlängern werden. Aber die Material-, die medizinischen und technischen Probleme, die vorher gelöst werden müssen, sind gewaltig.

Aufmerksame Zeitungleser mußten allerdings den Eindruck gewinnen, daß die nicht genügen. Die Nachricht von der in Salt Lake City an dem Zahnarzt Barney B. Clark durchgeführte Operation löste auch Kommentare aus, in denen Bedenken prinzipieller Art zum Ausdruck kommen.

Diese Bedenken sind teils ethischer, teils Ökonomischer Natur. Ich lasse weder die einen hoch die anderen gelten. Im Uberschnei-dungsbereich von Medizin, Ethik, Industrie und Geschäft gedeihen gewiß unerfreuliche Erscheinungen. Mit ihnen setzen sich zum Beispiel das Buch „Gesunde Geschäfte" oder Rolf Hochhuth mit seinem Stück „Ärztinnen" auseinander. Aber man muß nicht jeden Fortschritt problematisieren.

Ich kann zunächst keinen prinzipiellen Unterschied sehen zwischen dem Ersatz eines Beins durch eine Prothese, einer Niere durch ein Dialyse-Gerät oder eines Herzens durch eine Plastikpumpe. Ich kann keinen Grund sehen, einem Herzkranken das Sterben zuzumuten, wenn er, gefesselt an ein Gerät, überleben kann.

Schließlich finden ja auch Querschnittgelähmte im Rollstuhl einen neuen Lebenssinn, und die Humanität einer Gesellschaft erkennt man nicht zuletzt an der Solidarität der Gesunden mit den Kranken.

Sicher sind die in den Brustraum führenden Druckschläuche ein potentieller Infektionsweg. Sicher ist ein Versagen des Mechanismus nicht auszuschließen. Sicher muß der Patient seelische Belastungen tragen. Aber er lebt!

Eines Tages wird sich das Ding, das Barnes eingepflanzt wurde, neben dem, was es dann geben wird, so ausnehmen wie ein Holzbein neben einer modernen Beinprothese. Bei keinem neuen technischen Gerät war schon das erste Exemplar ausgereift.

Manches, was man nach der Kunde von der in Salt Lake City durchgeführten Operation hörte und las, ist nur als Nachwirkung uralter Vorstellungen vom Herzen als Sitz der Seele verständlich. Als Symbol soll uns das Herz bleiben, was es war. Die Medizin muß es nüchtern als Pumpmuskel sehen, wenn sie dem hippokrati-schen Eid treu bleiben und jedem Kranken jede mögliche Hilfe bieten will.

Auch die Argumentation mit den hohen Kosten und dem Privilegiencharakter solcher Operationen ist mir unheimlich. Dialyse war zunächst nur wenigen Patienten zugänglich, heute rettet sie zahllose Leben. Und auch der Herzschrittmacher, der einst ein Vermögen kostete, steht heute jedem zur Verfügung, der ihn braucht.

Die Plastikpumpe ist — noch!— der Herzverpflanzung medizinisch unterlegen. Wenn in die weitere Entwicklung genügend Geld investiert wird, kann sich das in absehbarer Zeit ändern. Sobald genügend langlebige Kunststoffe für das künstliche Herz zur Verfügung stehen und einige weitere Probleme gelöst sind, kämen die Vorteile der Herzprothese zum Tragen.

Die Herzverpflanzung kostet mit rund eindreiviertel Millionen Schilling viermal so viel wie die in Serie gebaute Pumpe samt Oper ration. Da dabei die wesentlich größere Hälfte auf das Gerät entfällt, ist mit einer starken Verbü-ligung durch größere Produktionsserien zu rechnen.

Die Herzverpflanzung hingegen beansprucht den Krankenhausapparat in viel höherem Maß. Das bedeutet, daß sich ihr Preis mit dem Index der allgemeinen Krankenhauskosten nach oben bewegt.

Allein in der Bundesrepublik Deutschland sterben pro Jahr schätzungsweise tausend Menschen an kaputtem Herzen in ansonsten organisch gesundem Körper, bei j denen auch die übrigen Voraussetzungen für eine Herzverpflanzung (Lebenswillen, nicht zu hohes Alter) vorliegen.

Die Herzverpflanzung krankt an den Kosten, am riesigen Aufwand für eine solche Operation und an der Scheu vieler Krankenhäuser, durch die Freigabe eines Unfallopfers mit intaktem Herz und erloschener Hirnstromkurve in die Öffentlichkeit zu geraten.

Bei der Einpflanzung eines künstlichen Herzens gibt es keine ethischen Probleme. Das wäre doch einmal kein bloß „intelligentes", sondern ein sinnvolles, wichtiges Produkt. Auch in einem kleinen Land kann man daran arbeiten, damit Ehre einlegen und vielleicht Devisen verdienen.

Um Durchbrüche zu erzielen, könnte man natürlich die Rüstungsmilliarden umwidmen. Aber ein Bruchteil dessen, was in die Krebsforschung investiert wird, brächte wahrscheinlich bereits handfeste Resultate.

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