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Amerikas Frauenrevolte

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Im Lande der einst traditionellen, oft plumpen Galanterie, in dem noch vor zwei Generationen in einer Gruppe von Bahnarbeitern oder Holzfällern der Mann, der eine Frau hatte, von den andern bewundert und beneidet, und die Frau, die für alle wusch und kochte, auf Händen getragen wurde; in dem es noch vor einer Generation undenkbar gewesen wäre, eine Frau im überfüllten Omnibus stehen zu lassen und Männer mit einer Frau nur stehend, Hut in der Hand, sprachen, ist im Beruf, auf der Straße, in Versammlungen, im Haushalt der Unterschied der Geschlechter verwischt. Mehr als das, die Wortführerinnen einer jungen Bewegung beklagen sich laut, mitunter hysterisch, über eine Zurücksetzung der Frau.

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Im Lande der einst traditionellen, oft plumpen Galanterie, in dem noch vor zwei Generationen in einer Gruppe von Bahnarbeitern oder Holzfällern der Mann, der eine Frau hatte, von den andern bewundert und beneidet, und die Frau, die für alle wusch und kochte, auf Händen getragen wurde; in dem es noch vor einer Generation undenkbar gewesen wäre, eine Frau im überfüllten Omnibus stehen zu lassen und Männer mit einer Frau nur stehend, Hut in der Hand, sprachen, ist im Beruf, auf der Straße, in Versammlungen, im Haushalt der Unterschied der Geschlechter verwischt. Mehr als das, die Wortführerinnen einer jungen Bewegung beklagen sich laut, mitunter hysterisch, über eine Zurücksetzung der Frau.

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Was hat sich geändert? Sollte auch hier die Quantitätstheorie gewirkt haben, das Gesetz von Angebot und Nachfrage, bei dem auch kleine Unterschiede Umschwung bedeuten? Spiegelt sich dieses Gesetz, von Mark Twain so ausgedrückt: „Ein Pfund Einnahme und 19 Shilling Ausgabe ist Wohlstand; ein Pfund Einnahme und 21 Shilling Ausgabe ist Elend“, auch in der Wertung der Frau, die nicht mehr Mangelware ist? 1820 standen 4.742 Millionen Frauen 4.897 Millionen Männern gegenüber; 1920 waren es noch 51.310 gegen 53.900;

1940 65.600 gegen 66.062.

Dann kam der Umschwung:

1950 waren es nur noch 75.864 gegen

74.833;

1960 96.600 gegen 87.865; 1967 101.169 gegen 96.609.

Die selbst ernannten Führerinnen der neuen Bewegung beklagen sich laut und bitter über die Zurücksetzung der Frauen: sie würden im Aufstieg gehemmt, nur zu Arbeiten zweiter Klasse zugelassen, bekämen für gleiche Arbeit weniger bezahlt; würden nur als Sexualobjekt gewertet; es gebe Männerklubs, die keine Frauen aufnähmen, und Bars, die keine Frau ohne Begleitung zuließen. (Dies kostbare Recht wurde ihnen eben durch einen frauenfreundlichen Richter zugebilligt.) Das alles müsse verschwinden. Vollkommene Gleichstellung bis ins letzte Detail, nicht nur in Beruf und Haushalt, sondern auch im Sexualleben! Ist der Ruf nach Gleichheit wirklich so hegründet? In USA findet man Frauen in allen Stadien der Bildung und der Berufe bis hoch hinauf in der Wirtschaft und den freien Berufen, allerdings in geringerer, aber immer mehr wachsender Zahl gegenüber den Männern. Sogar das Heer hat schon zwei Frauen im Generalsrang.

Er liegt darin, daß die Frau in der freien Wirtschaft den Beruf wählen kann, der ihr zusagt, in der gebundenen Wirtschaft dorthin kommandiert wird, wo der Staat sie braucht. Daher wirkt sie in jener mehr durch Qualität als Quantität. Die eine Senatorin Smith wirkt mehr als zehn Senatorinnen, die sich nicht über den Durchschnitt des Senats erheben würden. Jemand hat das bekannte „Peterprinzip“ so ergänzt: „Ein Mann rückt so lange auf, bis er an eine Stelle gelangt, in der er versagt, eine Frau aber so lange hinauf, bis sie an die Stelle gelangt, die sie noch ausfüllen kann.“ Auf höherem Niveau fällt die Leistung der Frauen nicht durch Quantität, sondern durch Qualität ins Gewicht. Wohl sind in diesen Schichten der Wirtschaft weniger Frauen als Männer zu finden, aber ihre Durchschnittsleistung übertrifft die der Männer, sonst kämen sie eben nicht hinauf. Auf niedrigerem Niveau, wo kein quantitativer Unterschied besteht, schützt ein Bundesgesetz die Frauen gegen Zurücksetzung. Es verbietet, gleiche Arbeit wegen des Geschlechts ungleich zu bezahlen, oder typische Minderleistungen, wie Ausfall durch Schwangerschaft, als Grund für Zurücksetzung zu verwenden. Eine Entscheidung sprach sogar den Frauen gleichen Lohn für ungleiche Arbeit aus, weil die Mehrleistung der Männer auf typisch größerer Muskelkraft beruht. Nein, die Frauen der USA haben keinen Grund, sich zu beklagen. Das ist aber kein Grund, sich nicht zu beklagen. Abgeordnete und Presse wägen nicht, sondern zählen nur die Stimmen, gut doch bei der Wahl nur die Zahl. Deshalb widerhallen die USA, deren Verfassung, richtiger deren Auslegung die freie Rede bis zum Exzess schützt, von Forderungen kleinerer oder größerer Gruppen, die nicht nach Berechtigung, sondern nach Lautstärke gewertet werden. Man mißversteht die USA, wenn man das nicht in Betracht zieht. Die Gleichstellung der Frau mag in den USA noch nicht vollendet sein, aber sie hat hier größere Fortschritte gemacht als irgendwo: sie mag noch nicht ihr ideales Niveau erreicht haben, aber es gibt kaum ein Land, in dem sie, und ohne Zwang, weiter fortgeschritten wäre.

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