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Gegen Ende des vergangenen Jahres hielten die Volksbibliothekare Österreichs ihre Fachtagung ab. Veranstalter war der Verband österreichischer Volksbüchereien, in dem kommunale Büchereien, Pfarrbüchereien und! Betriebsbüchereien zusammengefaßt sind. Wer Gelegenheit hatte, diesen Fachgesprächen beizuwohnen, konnte folgendes feststellen:

Erstens, daß hier mit Ernst versucht wird, dem Buch als kulturpolitischem Phänomen theoretisch beizukommen, seiner Qualität als Gefäß geistiger Werte gerecht zu werden und diese Qualität seinem Warencharakter entgegenzuhalten. Dänjit verbunden''.' ist der Kampf um das Lesen überhaupt, um die Erhaltung der Fähigkeit des Lesens, um die Bereitschaft, sich lesend zu versenken — in einer Zeit der optischen und akustischen Berieselungsverfahren, die dem passiv Hörenden und Sehenden rasch wechselnde Angebote entgegenbringt, die es ihm bequem macht, sich zu „zer-streuen“, sich die Zeit zu ver-treiben, die aber, wenn nichts dagegen unternommen wird, mit der Zeit um die Konzentrationsfähigkeit überhaupt bringen kann.

Für unseren geistigen Fortbestand ist es also nicht gleichgültig, ob gelesen wird, was gelesen wird, auf welchem Niveau sich die Lektüre mehr oder weniger breiter Schichten bewegt, und es ist nicht gleichgültig, welche Bevölkerungsgruppen das Buch e r-reicht, welchen es noch oder schon oder nicht mehr zugänglich ist. Hier erhebt sich die Aufgabe der öffentlichen Bücherei, die in ihrer Funktion den anderen Buchmittlern — Buchhandel, gewerbliche Leihbücherei, wissenschaftliche Bibliothek — keineswegs ins Gehege kommt und kommen will (was ihr zuweilen in völlig mißverständlicher Weise vorgehalten wird). Hier zeichnet sich eine österreichische Situation ab, die einen an das Wein-hebersche „Was brauch ma denn dös alles?“ erinnert. Während sich vor allem in den skandinavischen und angelsächsischen Ländern und — wenn auch unter anderem Vorzeichen — zweifellos in den kommunistischen Ländern ein öffentliches Büchereiwesen mit Selbstverständlichkeit einer geachteten und beachteten Position im öffentlichen Leben erfreut, blüht das Büchereiwesen hierzulande — von rühmlichen lokalen Ausnahmen oder theoretischen Würdigungen; abgesehen)

— wie das Veilchen irn1 Moose, und seine Vertreter haben zuzeiten und an manchen Stellen Mühe, ihr Vorhandensein und fachliches Tun zu rechtfertigen, um nicht von einem stärkeren Zweig der Administration überwachsen zu werden.

So wehren sich zum Beispiel die Bibliothekare dagegen, daß die von ihnen geführten öffentlichen und gemeinnützigen Büchereien von den knappen vereinnahmten Lesegebühren

— die einer Anerkennungsgebühr gleichkommen und sozial gestuft sind

— Umsatzsteuer zahlen müssen. Trotz mehrfacher Bemühungen des Büchereiverbandes und des Bundesministerium» für Unterricht ist es bis jetzt nicht gelungen, diese sinnwidrige Steuervorschreibung abzuwehren — sinnwidrig um so mehr, als oft der bescheidene Subventionsbetrag, den diese Büchereien vom Bund bekommen, auf diese Art wieder dem Bund zufließt. Es scheint, als ob die funktionelle Nachbarschaft zu den gewerblich betriebenen Leihbüchereien in dieser steuerlichen Beurteilung eine Rolle spielte, eine Nachbarschaft, die von beiden Anrainern nicht ohne Groll verzeichnet wird.

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