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Die Lage in der Schule

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Daß der durch das Erzbischöfliche Amt für Erziehung und Unterricht für seine oft heikle Aufgabe geschulte Laienkatechet meist aus demselben unbarmherzigen Chaos der Zeit kommt, das vielfach die zermürbende Umwelt seiner Schüler bildet, führt zu einem ebenso nüchternen wie klärenden Verstehen zwischen Katechet und Katechumen, und es ist, als vollziehe sich hier in Schülern und Katecheten zugleich auf eine besondere Weise die Mündigwerdung des Laien. Das freie, geordnete S ch-ül e r g esp r ä ch, das, aus der Schweiz übernommen, vom Profanunterricht her den Weg in den modernen Religionsunterricht fand, ist ein Ausdruck dieser Tatsache. Wenn die dritte Klasse einer Wiener Mädchenhaupt-schule über Mischehen an Hand persönlicher Beobachtung so deutlich spricht, daß dem Katecheten nichts mehr hinzuzufügen bleibt, ist damit auch die Notwendigkeit solch mündigen Unterrichts aufgezeigt. Es muß dem Religionslehrer darum gehen, im Kinde die innere Freiheit zu wecken, es der persönlichen Entscheidung zuzuführen, die ihm von niemandem, auch nicht vom Katecheten, abgenommen werden kann, und im Kinde dauerhafte willensmotionale Sicherungen gegen den verderblichen Einfluß der Umwelt aufzubauen. So wird der Religionsunterricht oft wesentlich zu einer „Debatte mit der Jugend“, zu einem Werben für die höheren Werte und zu einem Wettlauf mit den Unwerten der Zeit. Daß hiebei die modernsten Anschauungsmittel eingesetzt werden, wird dann zur Selbstverständlichkeit. So führen Erkenntnisse, geboren aus der Not der Gegenwart, zu ihrer Meisterung. Die Tatsache, daß die in das Arbeitsprogramm eingebauten Unterrichtsvorführungen an der Elementar- und Hauptschule Laienkatecheten anvertraut waren, und die mustergültige Weise, in der diese ihre Aufgabe erfüllten, war eines der Merkmale der Tagung. Die Erklärung von höchster kirchlicher Seite, daß die missio canonica der Laienkatecheten keineswegs eine missio zweiter Ordnung sei, ist nicht nur eine volle Anerkennung der Bewältigung einer ebenso problematischen wie drängenden Aufgabe, sondern bedeutungsvoll vor allem auch durch die ihr innewohnende Dynamik. Hier ist nicht nur Neues aufgebaut worden, sondern Neues, das einmal undenkbar schien und höchstens eine sporadische Ausnahme bildete, mit der Quellkraft verschütteter Ursprünglichkeit aufgebrochen und für heute und morgen zur Selbstverständlichkeit geworden.

Man hat dem Religionsunterricht der Schule oft vorgeworfen, er habe letztlich doch versagt; alle Indifferenten, Glaubenslosen, selbst die kämpfenden Atheisten seien durch diesen Religionsunterricht gegangen. Man muß sich gerechterweise' aber auch die Gegenfrage stellen, was geschehen wäre, wenn es überhaupt keinen Religionsunterricht — auch den der alten Methode nicht — in der Schule gegeben hätte. Denn der Religionsunterricht in der Schule war ja doch immer nur eine unter vielen Komponenten: 1 :12 lautet ziffernmäßig das ungünstige Verhältnis der Religionsstunden zu den Unterrichtsgegenständen der von der Religion losgelösten Profanwissenschaften.

Da das moderne Tempo des sozialen Lebens die Erziehung heute zu einem großen Teil aus dem Elternhaus in die Schule verlegt hat, wird der Ruf nach der Erziehungsschule an Stelle der bloßen Unterrichtsschule immer drängender. In dieser allgemein bedeutungsvollen Situation stellt sich der Religionsunterricht in der Schule als eines der wichtigsten Mittel einer zeitgemäßen Erziehungsarbeit dar; er ist schlechterdings gar nicht wegzudenken.

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