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Digital In Arbeit

Ein Zurück nach der „Babypause”

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Nach der Babypause wieder ins Berufsleben zurückzukehren, ist nicht einfach. Sozialarbeiter helfen den Frauen jetzt gezielt bei der Arbeitssuche.

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Nach der Babypause wieder ins Berufsleben zurückzukehren, ist nicht einfach. Sozialarbeiter helfen den Frauen jetzt gezielt bei der Arbeitssuche.

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Die Rückkehr vom Haushalt ins Berufsleben ist für Wiederein-steigerinnen wie im formalen' Berufsleben der erste Arbeitstag nach drei Wochen Urlaub”, beschreibt Lore Sander, Projektleiterin eines Wiedereinsteigerinnen-Pro-gramms die Situation der Kursmitglieder. Insgesamt nehmen derzeit ungefähr 140 Frauen am Programm für Wiedereinsteigerinnen des Wiener Arbeitnehmerinnen Förderungs-fonds (WAFF) teil. Die Mehrzahl der Frauen hat zwei Kinder und nur geringe bis mittlere Qualifikationen (34 Prozent Pflichtschulabschluß, 32 Prozent Abschluß einer Lehre oder mittleren Schule).

In einer mehrwöchigen Phase der Berufsorientierung, bei einem Praktikum sowie in der „aktiven Arbeitssuche” werden die Frauen von Sozialarbeitern begleitet und unterstützt. Dazu Projektleiterin Lore Sander: „Wir gehen mit den Frauen Schulter an Schulter. Nicht vor ihnen wie Lehrer und nicht hinter ihnen wie eine Mama, sondern neben und mit ihnen.”

Während der gesamten Betreuungsphase stehen die Frauen quasi in einem Arbeitsverhältnis im Umfang von 30 Wochenstunden. Sie sind in dieser Zeit sozialrechtlich abgesichert und bekommen eine finanzielle Unterstützung zur Deckung ihres Lebensunterhaltes. Gegebenenfalls können zwischen der Berufsorientierung und der betreuten Arbeitssuche auch Weiterbildungskurse absolviert werden, um die eigene Stellung am Arbeitsmarkt zu verbessern.

Die Ziele des aus den Mitteln des WAFF, des Arbeitsmarktservice und des Europäischen Sozialfonds finanzierten Programms sind die Unterstützung von Frauen und Männern beim Wiedereinstieg in die Berufstätigkeit sowie die Verbesserung des Qualifikationsniveaus der Wiener Arbeitnehmer.

Der zuvor von Lore Sander aufgestellte Vergleich von Wiedereinstieg und Bückkehr aus dem Urlaub soll das Problem der Frauen nicht verharmlosen, indem er aufzeigt, daß die

Hausfrauen jahrelang nur Urlaub genossen haben. Die Projektleiterin des Wiedereinsteigerinnen-Programms will mit diesem Vergleich nur das Gefühl erklären, das Frauen empfinden, wenn sie nach langer Zeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

Kommt man vom Urlaub zurück, so liegen Unterlagen fremder Leute am Schreibtisch, es rufen Kunden an von denen man noch nie etwas gehört hat, und meistens fühlt man sich bereits nach dem ersten Arbeitstag wieder urlaubsreif. Viel schlimmer ist es jedoch, wenn Frauen nach zwei, fünf oder zehn Jahren „Haushalts- und Khidermanagment” an ihrem, oder noch drastischer, an einem neuen Arbeitsplatz ihren zukünftigen Berufsalltag beginnen.,

„Begriffe wie ,Arbeitsmarkt' sind nicht faßbare Abstrakte”, erklärt Lore Sander. „Die Frauen werden mit Schlagworten wie ,Mobbing' konfrontiert und entwickeln enorme Ängste.” Aufgabe des Wiederein-steigerinnen-Programms sei dabei, die Frauen wieder in den Berufsalltag hineinzuheben.

Lore Sander schätzt die Fähigkeiten, die die Teilnehmerinnen zu den Treffen mitbringen: „Schnelles Auffassungsvermögen, Zeitmanagment,

Organisations- und Koordinationstalent sowie Vermittlungsfähigkeit. Das sind nur einige der Kenntnisse, die sich zahlreiche Frauen durch ihre jahrelange Arbeit im Haushalt und die Kinderbetreuung erwerben.” Nicht zu vergessen seien außerdem die enormen Belastungen, denen die Frauen Tag für Tag ausgesetzt sind. Bewundernswert also auch ihr Durchhaltevermögen.

Lechzen nach Arbeit

Sander freut sich über die „eigene Welt”, das Persönliche, das jede Teilnehmerin in diese Vorbereitungskurse mitbringt. „Nach der langen Zeit zu Hause sprühen die Frauen vor Neugierde und lechzen richtig nach einer neuer Beschäftigung.”

Elisabeth Wurth und Karin Kette-rer, zwei Frauen die nach längerer Kinderpause wieder in den Berufsalltag zurückkehren wollen, erinnern sich vor allem an die positiv erlebte Teamarbeit in den Wochen der Berufsorientierung: „Wir waren alle so ziemlich auf derselben Wellenlänge. Uns hat diese Einstiegsphase allgemein recht gut getan. Sie hat vor allem Mut gemacht.”

Mit einem persönlichen Karriereplan werden die Wiedereinsteigerinnen dann aus der Phase der Berufsorientierung „entlassen”. Darin wird festgelegt, auf welche Bereiche sich die Frauen in der Weiterbildung und der „aktiven Arbeitssuche” konzentrieren sollen.

Der endgültige Schritt in die Arbeitswelt erfolgt dann in der letzten gemeinsamen Betreuungsphase. Die „aktive Arbeitssuche” dient dazu, die Frauen beim Verfassen der Bewerbungen zu unterstützen, sie auf Vorstellungsgespräche vorzubereiten und ihnen Werkzeuge mitzugeben, die sie einsetzen können, wenn sie später wieder einmal auf Jobsuche sind.

Die Teilnehmerinnen können bereits ein Lied davon singen. Manche von ihnen haben bereits über 100 Bewerbungen abgeschickt. Doch das ewige Vorsprechen bringt auch einige Vorteile mit sich. Frau Wurth dazu: „Als wir angefangen haben, waren wir noch vor jedem Telefonat ganz aufgeregt und sind vor Annoncen mit zu vielen Bedingungen gleich zurückgeschreckt.” Jetzt betreibe sie das Bewerben schon wie einen Sport. Die Aufregung vor den Vorstellungsgesprächen sei nicht mehr so schlimm. Buhiger und mit mehr Sicherheit könne sie ihre Fähigkeiten viel besser vermitteln. „Absagen nimmt man am Anfang sehr persönlich”, weiß Sander aus der Praxis mit den arbeitssuchen-den Frauen. „Hier ist es zuerst einmal wichtig, mit Freunden darüber zu sprechen. Wenn der erste Frust abgeladen ist, soll die Absage dann genau durchgegangen werden und die Bewerberinnen sollten sich die Frage stellen: ,Was fehlt mir jetzt wirklich?'”

In der Zeit der Arbeitssuche sei die Bedeutung eines sozialen Netzwerkes nicht zu unterschätzen. Das Gespräch mit Freunden, Bekannten, Verwandten über die eigene Situation ist ebenso wichtig wie die genaue Reflexion der Absagen.

Erfolg mit Kreativität

Aus diesem Grund wird im Wieder-einsteigerinnen-Team auch wöchentlich die fieseste Absage gewählt. Die Briefe der „Sieger” sind einander meist sehr ähnlich: „... leider keine Stelle frei ... Mit freundlichen Grüßen ...” und im Anhang findet die Bewerberin den eigenen Lebenslauf, an dem das Alter mit Leuchtstift markiert ist!

„Mehr Mut zur Kreativität”, fordert Lore Sander als diplomierte Designerin. Als Beispiel erzählt sie von Frauen, die bei ihren Bewerbungen für eine Stelle als Friseurin Föns aus Marzipan mitschickten. „Acht von zehn haben den Job bekommen”, berichtet die Projektleiterin begeistert.

Doch nicht immer ist sie so froh über die Beaktionen der Unternehmer. „Von den Frauen wird enorm viel Flexibilität gefordert. Das müßte jedoch auch umgekehrt möglich sein”, fordert Sander. „Die Betriebe müßten mutiger werden, Frauen mit weniger Erfahrung einzustellen. Diese Menschen bringen so viele persönliche Qualitäten mit, nicht nur die Fähigkeiten zum Management.”

Sander ist überzeugt, daß alle Teilnehmerinnen „und sogar noch viel mehr Wiedereinsteigerinnen” in Unternehmen unterkommen würden. Die angebotenen Arbeitszeiten seien für Mütter mit Kindern jedoch nicht tragbar. „Unternehmer investieren heute nicht mehr in den Menschen”, sagt sie. „Langfristig gesehen ist das aber nicht besonders schlau.”

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