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Digital In Arbeit

Psycho-Terror am Arbeitsplatz

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Mit der Angst um den Job nimmt auch die Aggression in den Betrieben zu. Mobbing kommt auch in Osterreich zunehmend „in Mode".

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Mit der Angst um den Job nimmt auch die Aggression in den Betrieben zu. Mobbing kommt auch in Osterreich zunehmend „in Mode".

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Mobbing" ist der neue Begriff für ein altes Übel, nämlich . Schikane und Intrigen am Arbeitsplatz über einen längeren Zeitraum "hinweg. Dieser Mißstand zeigt sich leider heute bereits vermehrt auch bei uns.

„Mobbing" steht nicht nur für Psychoterror und für Kommunikationsprobleme. Es bezeichnet auch Konflikte, die aus ganz irrationalen Interessen entstehen, wobei die „aktive" Seite kein Interesse an einer Problemlösung zeigt, sondern, ganz im Gegenteil, für eine ständige Fortführung und Eskalation des Problems sorgt.

Die hier eingesetzten Strategien führen bei den Betroffenen zu Moti-vations- und Leistungsverlust, zu Ge-sundheits- und Rufschädigung. Sie dienen dazu, Mitarbeiter betriebsintern (gelegentlich auch öffentlich) psychisch und physisch zu schädigen. Der Begriff kommt aus dem englischen „to mob", was so viel wie anpöbeln oder attackieren heißt.

Mobbing ist für die Wissenschaft ein noch relativ unbekanntes Gebiet. Es wird nur langsam geforscht und geprüft, was Mobbing wirklich ausmacht und was nicht. Es gibt von unterschiedlichen Personen auch sehr unterschiedliche Definitionen, die sich jedoch - mit zunehmenden Forschungsergebnissen - immer ähnlicher werden. So lassen sich heute folgende Gemeinsamkeiten von Definitionen des „Mobbing" feststellen:

■ Eine oder mehrere Personen sind am Arbeitsplatz negativen Handlungen (Isolation, Kränkung, Herabsetzung, Gewalt) ausgesetzt.

■ Diese negativen Handlungen werden von einzelnen oder mehreren Kollegen, Vorgesetzten oder Untergebenen gegen eine Einzelperson ausgeübt.

■ Die negativen Handlungen treten häufig und über einen längeren Zeitraum auf.

Das Wesentliche am Mobbing ist, daß die Handlungen, die am Arbeitsplatz gegenüber einer bestimmten Person gesetzt werden, von dieser Person als feindselig empfunden werden. Außerdem heißt Mobbing, daß solche Handlungen systematisch beziehungsweise häufig geschehen.

Natürlich ist eine solche Definition des Mobbing sehr breit und gleichzeitig sehr spezifisch. So können Perso-

nen darunter leiden, wenn dauernd bestimmte frauenfeindliche oder ausländerfeindliche Witze erzählt werden, oder wenn sie immer wieder wegen einer körperlichen Eigenart (zum Beispiel Glatze, Übergewicht) von den anderen „aufgezogen" werden. Es gibt auch Situationen, in denen immer der (die) gleiche als Sündenbock für Fehler herhalten muß, und auch dem Vorgesetzten als solcher vorgeschoben wird.

In Osterreich gibt es bereits zirka sieben Prozent der Beschäftigten, die zu Betroffenen von „Mobbing" gezählt werden. Das heißt, es fallen zirka 200.000 Personen in die Kategorie der „Mobbing-Opfer".

Die Ursachen sind sehr unterschiedlich. Ein Auslöser ist aber sehr wesentlich: Streß im Betrieb, aufgrund von Unter- oder Überbesetzung einer Abteilung. Der Druck entlädt sich dann an einer bestimmten Person aus der Gruppe. Auch Langeweile kann unangenehme Folgen in einer Gruppe haben. Witze und Hänseleien der unterbeschäftigten Kolle-

gen entladen sich dann gerne auf eine Person.

Es kommt auch vor, daß jemand zum „Sündenbock" auserkoren wird, um eigene Schwächen zu kaschieren oder zu kompensieren. Wenn Führungskräfte inkompetent sind, wenn sie Menschenführung nicht beherrschen, brauchen sie aus dieser Unsicherheit heraus einen „Blitzableiter", der von den eigenen Fehlern ablenkt.

Mobbing-Methoden sind vielseitig: Das Opfer wird in seinen Kommunikationsbemühungen entweder behindert, es wird ständig unterbrochen, angeschrien oder überhaupt ignoriert. Ein Betroffener: „Du wirst einfach nicht gegrüßt, keiner fragt, ob du zu Mittag in die Kantine mitgehst. Will ich bei einem Gespräch einsteigen', so tun die Kollegen plötzlich so, als ob ich gar nicht da wäre. Ich fühle mich von Tag zu Tag elender. In der Nacht wache ich auf und denke an all diese Dinge." Auch die Arbeit selbst kann zum Instrument der Aggression werden. Der Gemobbte bekommt sinnlose Aufgaben zugeteilt oder überhaupt nichts mehr zu tun -„nach Sibirien schicken" heißt da der „Fachausdruck".

Mobbingopfer können Mann, Frau, einfacher Angestellter oder aber auch Manager und Chefs sein. Es gibt in Österreich Hinweise dafür, daß weibliche Mitarbeiter öfter gemobbt werden als ihre männlichen Kollegen. „Jeder kann Op-

fer werden", sagt der deutsche Therapeut Michael Becker, Leiter der weltweit ersten Klinik für Mobbing-Pati-enten. Bis vor kurzem in Bad Lippspringe stationiert, übersiedelte die Einrichtung vor kurzem nach Berlin-Brandenburg. Im Rahmen dieser Institution erhalten Opfer mittels einer sechswöchigen Behandlung entsprechende therapeutische Unterstützung. Ziel ist, den Patienten physisch und psychisch zu stabilisieren und ihm so den Weg zurück ins Berufsleben zu ermöglichen. Viele schaffen das nämlich nicht mehr ohne professionelle Betreuung. Um den Angriffen im Büro zu entgehen, bleiben sie als Abwehrmaßnahme zu Hause. Man weiß von Patienten, die aus die sem Grund lange Zeit untätig zu Hause verbrachten. Wenn die Symptome verschwinden und das Wohlbefinden sich bessert, kehren sie in den Betrieb zurück, wo sich jedoch das „Rad des Schreckens" erneut für sie zu drehen beginnt.

Mobbing verursacht nachgewiesenermaßen körperliche und seelische Beschwerden: Kopf- und Magenschmerzen, Depressionen sind die häufigsten und bekanntesten Symptome von gemobbten Menschen.

Auch das unmittelbare soziale Umfeld bleibt nicht verschont: Die Familie muß das Geschehen immer wieder abfedern. Das kann einschneidende Auswirkungen zur Folge haben, da zu Hause immer nur über die Arbeit gesprochen wird, was eine Partnerschaft sehr belasten kann.

Mobbing ist für viele Betriebe in wirtschaftlich gar nicht tragbar. Denn der Betroffene verwendet bis zu 40 Prozent der Arbeitskraft dazu, sich zu überlegen, warum das passiert und welche Gegenstrategien er entwickeln könnte. Auch die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter kann beeinträchtigt sein. Chefs sollten daher bei innerbetrieblichen Konflikten

äußerst wachsam sein, ein positives Klima fördern und neue Mitarbeiter sinnvoll integrieren.

Die Autorin ist

freie Journalistin in Wien.

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