7115706-1996_14_23.jpg
Digital In Arbeit

Spielehen unter Kollegen

Werbung
Werbung
Werbung

Ein alter Hut: Der Mensch verbringt mehr Zeit mit seinen Arbeitskollegen, Chefs und Untergebenen als mit seinen Lieben. Dazu kommt, daß «r letztere entweder im morgendlichen Dusel oder in der abendlichen Abgeschlafftheit erlebt, besser: sie erleben ihn. Was nicht immer zu allseitiger Wonne beiträgt.

Nun haben ja die Zuhausebleibenden vom Arbeitsplatz mitunter so ihre Vorstellungen. Ständiger Büroschlaf, Pantscherln und Zwischen-durch-Feste nehmen dabei ihre festen Plätze ein. Daß Spiele im Büro ihren festen Platz haben, ist ja unbestritten. Allerdings schauen sie etwas anders aus, als die berühmten kleinen Maxis sich das so denken. Und da ein bestimmtes Spiel in letzter Zeit sogar einen noch dazu englischen und somit Achtung einflößenden Namen bekommen hat, hat es sich mit der Namensgebung bodendeckend verbreitet. Es heißt Mobbing und ist bedingt lustig.

Da nimmt, ist's Zufall, ist's geheime Absprache, eine Gruppe von sogenannten Kollegen einen anderen, eine andere, aufs Korn. Man meidet denjenigen, geht ihm aus dem Weg, wo immer es möglich ist, tuschelt demonstrativ vor ihm, schließt ihn aus Gefälligkeitsbesorgungen aus, enthält ihm Informationen vor. Der Betroffene, der Name sagt's schon, reagiert betroffen. Da er sich nichts zuschulden hat kommen lassen, beginnt er zu grübeln. Er wird unsicher. Er beginnt, Fehler zu machen. Und das eben ist das Ziel des Spieles. Jetzt nämlich, völlig verstört, läßt er sich zuschulden kommen, was man ihm vorher nicht anlasten konnte. Er ist in der Hackordnung ganz unten angelangt. Das Spiel endet zumeist mit Versetzung, Kündigung, in extremen Fällen auch schlimmer. Auch Vorgesetzte allein können dieses Mobbing betreiben. Meist sind's jene aus den sattsam bekannten Buberischaften, die, völlig unbetamt und irgendwelchen Zufällen einen leitenden Job verdankend, beginnen, die bislang recht solide Firma neu zu erfinden. Althergebrachtes wird in Frage gestellt, bewährte Mitarbeiter, die den ganzen Laden im kleinen Finger haben, müssen daher ausgeschaltet werden.

Wie könnte man derlei besser bewältigen, als sie als hoffnungslos reaktionäre, konservative und jeglichem Fortschritt abholde Tattergreise abzuqualifizieren. Kombiniert mit dem Entzug diverser Teilnahmeprivilegien, mit Ignorieren, Nicht-Vorlassen und ähnlichem stellt sich alsbald der Erfolg ein. Der Betreffende schlittert in die Verunsicherung. Man hat ihn soweit.

Worin der eigentliche Sinn dieses ungleichen und kurioserweise von Geschäftsinhabern geförderten oder zumindest tolerierten Turniers für die Firma besteht, ist noch nicht erforscht. Eher ist es einem Unternehmen abträglich. Bislang aber hat sich noch kein Betriebspsychologe gefunden, der aktiv gegen den Unfug ins Feld zieht. Möglicherweise hat jeder Angst, beim ersten Ansatz zum Kampf gegen jenes Spiel dem Mobbing zum Opfer zu fallen.

Schließlich aber hat der grausame Vorgang sein Gutes. Der seinen Lieben so lange durch die Fron des Arbeitsplatzes Vorenthaltene ist nun bald nur noch bei ihnen. Sollte es in der weiteren Folge jedoch zu einem in einigen Fällen ebenfalls bereits konstatierten Familien-Mobbing kommen, kann er sich immerhin mit dem Problem befassen, ob denn die Menschheit noch zu retten ist. Aber diese Frage scheint ja mittlerweile geklärt zu sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung