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Wachstum mit Quantensprung

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Werden wir bald einen Weg aus der gegenwärtigen Ungewißheit, ob die Erhaltung un-sereres materiellen Wohlstandsniveaus möglich sei, finden? 33 Millionen Arbeitslose in Europa nagen an unserem Wohlstand. Einst waren sie Teil der Käuferschichte, die den hohen wirtschaftlichen Standard trug, jetzt verursachen sie den weniger gewordenen Wohlhabenden nur noch Kosten. Eine Antwort sucht Hans Mohr, Mitglied des Vorstands der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart und in dieser Funktion Leiter des Bereichs Biotechnologie, Ökologie und Gesundheit mit seinem Buch „Qualitatives Wachstum, Losung für die Zukunft” zu geben.

Bei solchen Büchern hat der Leser oft den Eindruck, daß offene Türen eingerannt und andererseits allzu gewagte Thesen aufgestellt werden, denen man aufgrund des vorgelegten Materials kaum folgen kann. Hans Mohr bemüht sich, durch eine sehr übersichtliche Gestaltung seines Materials diese Klippen zu umgehen. Er beginnt mit dem Nachdruck eines Interviews, das er dem „Stern” über das Thema „Menschheit am Abgrund” gab. Hier werden ihm die grundsätzlichen Fragen in bezug auf das ökologische und ökonomische Überleben der Menschheit gestellt. Seine Antworten betreffen allerdings nicht die Menschheit, sondern lediglich die Bewahrung der deutschen ökologischen und wirtschaftlichen Überlebenskraft.

In den folgenden Kapiteln streicht Mohr einerseits die Notwendigkeit von qualitativem statt quantitativem Wachstum durch volle Ausnützung unserer wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten heraus. Andererseits werden dann Punkt für Punkt Gedankenfehler und Vorurteile über Technik und vor allem Technikfolgen aufgezeigt, und damit wird einer realistischen Haltung der Weg freigemacht. Vielfach geht es dabei in aller Vorsicht um das Ausräumen von Ängsten und Vorurteilen der umweltbesorgten Bevölkerung.

Bei vielen der aufgegriffenen Probleme kann sich der Leser freuen, endlich eine klare, verständliche, durch an sich oft bekannte Tatsachen belegte Klärung von verbreiteten Gedankenfehlern und Vorurteilen zu erhalten. Beim Kernthema, qualitativem statt quantitativem Wachstum, sind wir leider wieder bei den eingerannten offenen Türen und in der Luft hängenden Thesen.

Ich glaube nicht, daß viele Bürger der industrialisierten Kernländer daran zweifeln, daß wir an der Spitze von technischer und wissenschaftlicher Entwicklung bleiben müssen, um unseren Lebensstandard zu erhalten. Das ist aber nur das halbe Problem. Die drei Millionen Arbeitslosen Deutschlands oder 33 Millionen der EU sind keine Hi-Tech-Experten auf Arbeitssuche, obwohl es die auch schon gibt. Parallel zur Entwicklung der Hochtechnologie müssen auch Tätigkeitszweige entwickelt werden, welche Betätigung für die große Zahl der Menschen bringen, für die es nicht einmal bei allerbester Ausbildung genügend Platz in hoch technologischen Wirtschaftszweigen geben würde.

Soweit Hans Mohr sich dagegen auf Einzelheiten beschränkt, statt auf die globale Bettung der Menschheit vor dem Abgrund, folgt man ihm oft mit Vergnügen. Es macht Spaß, die brillante Sezierung und damit Überwindung von Vorurteilen zu verfolgen.

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