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Zwischen Zeugnis und Schweigen

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Rund 50 Journalisten und Theologen aus Osterreich, Bayern und den Reformländern trafen sich von 5. bis 7. Oktober in Vicenza (Italien).

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Rund 50 Journalisten und Theologen aus Osterreich, Bayern und den Reformländern trafen sich von 5. bis 7. Oktober in Vicenza (Italien).

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Das Meeting zum Thema „Das Europa der Regionen und der Völker - katholische Journalisten zwischen Zeugnis und Schweigen” wurde von der Arbeitsgemeinschaft katholischer Journalisten des Alpen-Donau-Adria-Raumes, (ADA), und der Föderation der italienischen Kirchenzeitungen Triveneto (FISC) organisiert. Die italienischen Kollegen feierten bei dieser Gelegenheit auch das 50-Jahr-Jubiläum der diöze-sanen Kirchenzeitung „Voce dei Beri-ci”.

Zum Thema des Meetings hielten der Bischof von Vicenza und Vorsitzende der Kommission „Iustitia et Pax”, Pietro Nonis, weiters Lojze Pe-terle, Vizepräsident der Europäischen Volkspartei und ehemaliger slowenischer Ministerpräsident, sowie der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zu-lehner Referate. Peterle führte die Konflikte in Europa auf die mangelnde Sensibilität gegenüber den Problemen der Minderheiten zurück. Dazu käme das Fehlen christlicher Werte und Orientierungen in den Reformländern. Ein neues Europa verlange nach Respekt und Wertschätzung aller vorhandenen Identitäten, damit es auch zu einer geistigen Gemeinschaft zusammenwachsen könne. Peterle sieht im Klima der Gewaltlosigkeit, in dem es keine Verlierer sondern nur Sieger geben sollte, mögliche Zukunftschancen.

Christliche Journalisten könnten dazu viel beitragen und bestehende Werte-I^eerräume wieder anfüllen. Freiheit und Demokratie seien natürliche Grundlagen, auf denen die gesamte christliche Medienarbeit basieren müsse. Der Präsident der 1.200 Medienschaffende umfassenden ADA, Hans-Günther Röhrig, setzte in seinem Statement stark auf die Bereicherung durch kulturelle Vielfalt (Vielfalt statt „nationaler Einfalt”). Dem „Drachen” Nationalismus könne man - trotz vorhandener Fremd-und Feindgefühle - ruhig ins Auge schauen, wenn Wachsamkeit und Toleranz selbstverständlich geworden sind.

Paul Zulehner, der nicht zuletzt durch das „Pastorale Forum der Förderung der Kirchen in Ost- und Südeuropa” mit den Fragen religiöser Vielfalt in Europa vertraut ist, sieht es als die Aufgabe der Kirche an, „Inkulturation”, das heißt Einmischung in die Kultur, zu betreiben. Dies sei eine heute mögliche Form der lebendigen Evangelisierung. „Kulturen die wir gestalten möchten, sollten wir auch wahrnehmen können. Bevor wir lehren, sollten wir lernen. Katholische Publizisten sollten die Vorhut in der Wahrnehmung von Entwicklungen sein.

Freiheit allein ist jedoch kein Garant für Gerechtigkeit. Selbst demokratische Mehrheiten neigen zum Unrecht gegen Minderheiten und Schwache. Viele Menschen (alte, kranke, unproduktive) sieht Zulehner heute in Gefahr, „überflüssig” zu werden. Euthanasie, Tötung, diene nicht dem Sterbenden, sondern den Angehörigen. Wenn durch pränatale Diagnostik Behinderte schon vor ihrer Geburt „entsorgt” werden, und selbst gesunde Kinder, wenn sie die „Selbstentwicklungskonzepte” ihrer Väter und Mütter stören, nicht geboren werden dürfen, haben auch Freiheit und Solidarität keine Chance.

Europas neue Kultur kann aber nur in einem Klima von Geschwisterlich-keit wachsen: Das bedeutet Respekt vor der Gleichheit und Würde aller, vor reich und arm, vor Mann und Frau, vor dieser oder jener Kultur.

Zukunft gibt es nur dann, wenn Konflikte zwischen Menschen und Völkern als Entwicklungschance gesehen und genützt werden. Die Kirche von morgen wird sich durch erhöhte Aufmerksamkeit für die „Armgemachten” und „Überflüssigen” auszeichnen müssen. Sie wird auf der Seite der Sterbenden, Ungeborenen, Arbeitslosen und Behinderten, auf der Seite der Ausländer und Frauen stehen. Sie wird bereit sein müssen, das Kreuz zu tragen, das diese eindeutige Option für die „Armgemachten” mit sich bringen wird. Nur eine solche Kirche wird der Segen und die Zukunft Europas sein.

Zulehner lehnt jede Form von Pessimismus für eine solche Kirchenentwicklung ab. Durchaus positiv sieht er Chancen für Pluralität in einer christlichen Welt, vorausgesetzt die Anstrengungen in dieser Richtung sind ehrlich, kollegial und demokratisch.

Vicenzas wertvolle Baudenkmäler haben Einfluß auf die gesamte Weltkultur ausgeübt. Den Visionen dieser Tagung möge in der Zukunft eine ähnliche Wirkung zukommen.

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