Martin Luther King - © Foto: IMAGO / United Archives International

Vom Kriegsheroismus bis zur Erdrettung: Wie sich Werte im Laufe der Geschichte verändert haben

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Vom Heroismus der Kriegsgeneration bis zum heutigen Totalitarismus der Erdrettung: Der Philosoph Peter Strasser unternimmt einen Ritt durch die Welt der Werte.

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Vom Heroismus der Kriegsgeneration bis zum heutigen Totalitarismus der Erdrettung: Der Philosoph Peter Strasser unternimmt einen Ritt durch die Welt der Werte.

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Vor mehr als fünf Jahrzehnten – ich war damals im Halbstarken-Alter (so nannte man früher diese wunderbare, schreckliche Zeit zwischen Pubertät und Erwachsensein) – beklagten die Älteren gerne, uns jungen Profiteuren des anrollenden Wohlstands fehle es an Idealismus. Wir dächten materialistisch, uns ließen die geistigen Werte kalt. Unser einziger Gott sei der Konsum.

Das war die oberlehrerhafte Perspektive derer, die – wie sie betonten – den Krieg erlebt hatten, die materielle Not, das Inferno. Solche Reden provozierten den Unmut von uns Jungen. War man Idealist, wenn man für Hitler in den Krieg zog, um sich totschießen zu lassen? Ohne Zweifel, es gab eine Idee, nämlich die Großmachtphantasie des deutschen Menschen, der sich die Welt durch Völkermord untertan machen wollte.

Für uns Junge war dies ein grausiges Mahnmal dafür, dass der Idealismus als solcher nichts Wertvolles sei – etwas, wodurch das Leben erst Tiefe und Sinn bekäme. Hinzu trat die Erkenntnis, dass viele unserer Väter den Krieg herbeijubelten, weil er ihnen die Möglichkeit bot, Impulsen nachzugeben, die den Satz bestätigten, wonach der Mensch dem Menschen ein Wolf sei. Aus der Abenteuerlust wurde die Lust zu morden und zu brandschatzen. Der Idealismus der Kriegsgeneration war, zugegeben, teilweise heroisch, teilweise jedoch eine Rechtfertigung für das Ausleben niederster Instinkte.

Idealistische Himmelstürmer

Hingegen engagierten sich viele Angehörige der sogenannten Achtundsechziger-Generation für die Ideale des aufrechten Gangs, der Befreiung der Welt von den Schrecken des Kolonialismus, des Rassismus, Sexismus und Nationalismus; für eine freie, gerechte Welt jenseits der Atombomben und kapitalistischen Raffgier. Und natürlich ging es uns auch darum, dass alle Menschen an jenen materiellen Gütern teilhaben sollten, ohne welche die Rede vom Leben in Würde eine bloße Phrase bleibt. Alle sollten einen Zugang zu den Basisgütern des Lebens haben und, dem Prinzip nach, ein Leben in der Gemeinschaft ohne Angst vor brutaler Diskriminierung führen können.

Über alle scheinklugen Theorien der Moderne und Postmoderne hinweg, die vom „Tod des Humanismus“ reden, belehrt schon ein oberflächliches Studium der Geschichte, dass jede Generation ihre idealistischen Himmelstürmer und materialistischen Glückssucher hat. Und vor Kurzem erst stieß ich auf eine Passage in einer Notizensammlung des alten, weise und schon ein wenig müde gewordenen Peter Handke; sie lautet: „Das Eislaufen zu Goethes Zeit vor 200 Jahren, und das jetzt: ziemlich anders und genau gleich. Und in 100 Jahren? Ebenso. – Und die Welt? – Ziemlich anders und genau gleich.“

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