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Verteidigung und Friede

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In der sicn nicnt mildernden allgemeinen Spannung in aller Welt melden sich ständig neue Rufer zur Vernunft, um eine neuerliche Auseinandersetzung mit Waffen, diesmal zwischen dem Kommunismus und der freien Welt, zu vermeiden. Xavier Sallantin, dessen beide Brüder in Italien 1944 beziehungsweise in Indochina 1952 gefallen sind, versucht den Begriff Verteidigung aus seiner klassischen Fassung zu lösen, was er mit Rücksicht auf das Atomwaffenzeitalter für geboten hält, weil Politik und Strategie mit dem Fortschritt der Wissenschaft nicht Schritt gehalten haben. Betrachtet man als Ziel der Verteidigung den Schutz des Menschen und das „bien commun universel“, dann müsse die Verteidigung eine totale werden, denn es handle sich nicht mehr darum, mit militärischen Kräften wie einst ein Land zu verteidigen und sich damit zu begnügen, den Feind zu schlagen. Der Feind sei überall und er bedrohe alle. Der Autor entwirft einen. konstruktiven Plan, der die Bildung dreier Elemente vorsieht: eine vernünftige Verfassung der Menschheit, eine Obrigkeit über alle Nationen und die Erziehung zur Freiheit, dabei müsse die Klippe einer gigantischen Zentralisation vermieden weraen durcn eine organisch« Schichtung der Individuen, der Familien, Siedlungen, Konfessionen und Nationen. Die Ausführungen sind geistreich, anregend und kühn, sie erinnern vielleicht an Rousseau, der von der Demokratie gesagt hat, sie sei nur für ein Volk von Göttern geeignet.

Durchaus in der Realität der Dinge steht der Erzbischof von Algier, Leon-Etienne Duval, dessen Predigten und Rundfunkreden von 1955 bis Ende März 1962 im Auszug gebracht werden. Wir haben hier ein eindrucksvolles Beispiel für einen geistigen F«ldzug für den Frieden, wie ihn ein Kirchenfürst sozusagen zwischen den Fronten der Bewaffneten führt. Die Waffen des Erzbischofs sind Liebe, Güte, Wahrheit, Gottvertrauen, Gerechtigkeit. Er sieht in Algier die Gelegenheit, durch priesterlichen Zuspruch die unterschiedlichsten Strömungen zum Frieden zu bewegen, „denn die Liebe ist stärker als der Haß, nur sie kann ein neues Algier bringen... der einzige Sieg eines Menschen kann nur im Gewinnen des Herzens seines Bruders bestehen ... die ganze Welt sieht auf Frankreich und Algier“. Duval beruft sich auf zwei Vorbilder, die auf afrikanischem Boden lebten, auf Augustinus und Foucauld. Der heilige Augustinus lobte den Krieger wegen seiner Tapferkeit und Pflichttreue und weil er durch Sieg den Frieden herstellen kann, doch zog er es vor, den Frieden durch friedliche Mittel zu erhalten. Charles de Foucauld rief aber allen zu: „Ich möchte meine Mitbürger daran gewöhnen, die Christen und Muselmanen, die Juden und Heiden, in mir ihren gleichen Bruder zu sehen.“

Bewundernswert ist die Unermüdlichkeit des Erzbischofs von Algier, mit der er jahraus, jahrein seit 1954 seine Stimme erhob und daß er niemals am Frieden verzweifelte. Besonders bemüht war er auch, die Unvereinbarkeit des Marxismus mit jeder Religion aufzuzeigen. Die „messages de paix“ sind ein lesenswerter und wertvoller Beitrag zur Geschichte unserer Tage, sie gewähren einen tiefen Einblick in die Werkstatt der katholischen Kirche.

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