6680144-1961_39_23.jpg
Digital In Arbeit

Christliche Demokratie

Werbung
Werbung
Werbung

REVOLUTION UND KIRCHE. Studien zur Frühgeschichte der christlichen Demokratie. Von Hans Maier. Verlag Rombach, Freiburg im Breisgau 1959. Preis 17.80 DM.

Maier ist es meisterhaft gelungen, nicht nur die ja immer umschlagende Geschichte einer „christlichen Demokratie" herauszustellen, sondern in ihrem Exempel grad auch den Stil der Stellungnahme der Kirche überhaupt herauszuarbeiten. „Christliche Demokratie“ war das Anfangsziel der Französischen Revolution (wie Maier überzeugend nachweist), schlug aber jäh in einen kirchenfeindlichen Laizismus um. Diesem kirchenfeindlichen Laizismus (der

Lesen Sie auch die Buchbesprechungen in der Monatsschrift „DER GROSSE ENTSCHLUSS"

von Robespierre her das Gesicht eines „Tugendmoralismus" trug) tritt der „tra- ditionalistische Widerspruch“ in de Maistre, de Bonald und Lamennais entgegen, auf den hinwiederum der Kampf um eine neue „christliche Demokratie“ folgt, bis hinein in die Gegensätze zwischen einer republikfeindlichen „Action franęaise“ and einer demokratischen „Action populaire“ (bis hinein in die französischen katholischen Orden) — Gegensätze, die sich heute im Gegenüber zwischen dem Autoritätstum de Gaulles und der demokratischen MRP darstellen. Zu dieser Dialektik einer „christlichen Demokratie“ (die im Beginn der Französischen Revolution sich geradezu als „Rückkehr zum Evangelium“ ausgab: 82 ff.) ist dann auch die offizielle Kirche (in den römischen Stellungnahmen) parallel: wie dieselbe Kirche zuerst den demokratischen Laizismus verurteilt, dann aber auch wiederum den antidemokratischen Traditionalismus und wiederum (scheinbar umschlagend) die neue „christliche Demokratie“ Lamennais, um endlich, umgekehrt, alles daranzusetzen, die französischen Katholiken zu einer Aussöhnung mit der Republik zu bringen und zur Mitarbeit in ihr. Der innergescnichtliche Grund dieser doppelten Dialektik ist ohne Frage der seit Gregor VII. ausgebrochene Kampf um eine „Vergeistlichung der weltlichen und… Verweltlichung der geistlichen Ämter“ (67). Aber in diesem Kampf zeigt sich in der Kirche selbst ihr eigenster Stil, gegen alle Extreme — sei es von links, sei es von rechts —, die klassische „via media“ zu betonen, auch auf die Gefahr hin, als doppelzüngig zu erscheinen. „Christliche Demokratie“ kann darum nur insoweit „christlich" sein, als sie in allem diese „via media“ mitvollzieht (im Unterschied zu einem „christlichen“, eines schwärmenden „Zurück zum Evangelium“ oder „hin zu einer Una Sancta“).

MATERIALISMUS UND IDEALISMUS. Von Constantin Brunner. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln. 101 Seiten. Preis 12.80 DM.

Brunner ist ein später Nachfahr jener Denker, die bewußt „einzelner“ sein wollen, wie Max Stirner, Julius Bahnsen und Friedrich Nietzsche. Er bekennt darum schlechthin: „Ich habe als einzelner gelebt und will leben" (123). Aber wie Bahnsen trotzdem die Spuren des Nikolaus von Kues verrät und Nietzsche vom Geist Heraklits erfüllt ist, so ist es bei Brunner ausgesprochen Spinoza, aber der Spinoza der „unendlichen Attribute“ der einen Gottsnbstanz, das heißt Spinoza, wie er dem „Aberglauben des Pantheismus“ gegenübersteht, der „die beiden menschlichen Attribute Ausdehnung und Denken . . substantiell betrachtet“ (173, Anm). Damit aber ist es zuletzt die lurianische Kabbala, die in Brunner, über Spinoza, wenn auch ganz abgedunkelt, lebt, aber erneuert in einer Neuzeit der letzten Paradoxa (zwi schen Sprache und Geist usw.): „Du sollst dir kein Bild machen; aber jedes Wort macht dir ein Bild! Die Sprache widerspricht dem Geiste, und so widerspricht der Geist der Sprache“ (10). Das heißt, durch eine scheinbar neuzeitliche Philosophie der letzten Antinomien bricht als (säkularisierte) Methode das altjüdische „Arrheton“ „dieses eine Wort der Juden …, weil doch keine Anonymität bleiben kann“ (10). Brunner ist ein Beispiel mehr, wie alle jüdische Philosophie immer Theologie ist (bei Cohen wie Buber wie Rosenzweig usw., ganz abgesehen von den Großen des Mittelalters).

NIEMAND WÜRDE VERMUTEN, daß beide hier veröffentlichten Bilder eine und dieselbe Person wiedergeben. Und dennoch ist es so. Beide Photos zeigen Charles de Foucauld, einmal als lebenslustigen fran-. zösischen Kavallerieoffizier, der wegen seines ausschweifenden Lebens sogar zeitweilig die Armee verlassen mußte, das andere Mal als Einsiedler der Sahara, Freund der Christen, Juden, Mohammedaner und aller Menschen. Da jedes Antlitz des Menschen sein inneres Wesen wiedergibt, begreift man beim Aubljck dieser Bilder, welche ungeheure Wandlung im Inneren des Trägers dieses Gesichtes dBP’sictt įfegaifįen sein idtitß: WePWer die Biographie, die soeben im HeroldTVerlidį,1 Wien, herausgekommen ist (Charles de Foucauld, von R. V o i II au m e und G. G o r e e, übersetzt von Hermen von Kleeborn, 160 Seiten und 202 Abbildungen, Preis 185 S) mit ihren vielen großenteils originalen Bildbeigaben liest und durchsieht, wird diese gewaltige Wandlung miterleben können. Aus ererbtem Reichtum, aus einem feudalen Milieu, aus den Abenteuern seines Offiziersdaseins (in St. Cyr, wo er sich auf seine Militärlaufbahn vorbereitet, studiert er zusammen mit Pėtain) reißt ihn 18S6 (im gleichen Jahr wie Claudel) die göttliche Gnade und bewirkt seine Bekehrung. Er wird Trappist, Klosterdiener in Jerusalem, Priester. Schließlich gründet er eine Einsiedelei in der Sahara, die er „Fraternität" nennt. Hier verkündet er das Christentum, furch sein einfaches, der Anbetung und der Freundschaft der Menschen geweihtes Leben. Er wird der „Bruder aller“, insbesondere der „Vater der Tuaregs“. Einsam, wie er gelebt, stirbt er auch; mitten m ersten Weltkrieg, am 1. Dezember 1916, wird seine kleine Niederlassung überfallen wd er ermordet. Jahre nach seinem Tod ;rst dringt sein christliches Heldentum in Jas Bewußtsein der Menschen und geht die laat, die er gesät, auf: in der Arbeit der ,Kleinen Brüder“ und der „Kleinen Schwestern“ des Pkre Foucauld,, die, so wie :r, die Welt retten wollen, indem sie Brü- ler und Schwestern aller Menschen sein vollen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung