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Was ist ein Landestheater?

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Zunächst: man unterscheidet zweierlei Arten von Theaterunternehmungen, und zwar

1. solche, die dem Zwecke der Kunstpflege dienen und aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden, ohne die Absicht einer Gewinnerzielung. Sie werden als gemeinnützige Theater bezeichnet, und

2. Privattheater, die ein Unternehmer auf eigene Rechnung führt, um selbstverständlich daraus einen Gewinn zu erzielen.

In Deutschland, dem Lande der vorbildlichsten und gründlichsten Theaterorganisation, in der Schweiz, der Tschechoslowakei, in Ungarn, Jugoslawien und Rußland — in allen diesen Ländern ist man längst zu diesem System der gemeinnützigen Theater, teils auch aus nationalen oder weltanschaulichen Motiven, übergegangen. Nur im „Kunstland Österreich“ mußte die Kunst bis 1938 ein kümmerliches Dasein führen. Erst das nationalsozialistische Regime wandelte die Theater in den Landeshauptstädten in Landestheater, also gemeinnützige Unternehmungen, um.

Was ist nun die Aufgabe einer solchen Bühne?

Ein Landestheater soll das repräsentative K u n s t i n s t i t ut eines ganzen Landes sein, und zwar in dessen Hauptstadt. Es hat die kulturelle Mission, den K u n s t w i 11 e n e i n e s La n d e s unter Beweis zu stellen.

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde von fast allen Ländern diese neue Betriebsform fortgesetzt. Im Gegensatz zu Deutschland, wo nach 1918 die ehemaligen Hoftheater die Bezeichnung „Landestheater“ oder „Staatstheater“ erhielten . und diese Bühnen wie vorher weitergeführt wurden, fehlte bei uns leider jegliche Tradition. Den meisten der neuen Landeskulturreferenten mangelte es an Erfahrung auf dem Gebiete des Theaters und dessen innerer Organisation, und da es vorerst auch noch keine Ausschüsse gab, die hier mitbestimmend hätten eingreifen können, geschahen die ersten Fehler, deren schwerster . in der Auswahl der Leiter für diese Bühnen bestand.

Das Gedeihen eines Theaters ist nun einmal in der Hauptsache mit der Persönlichkeit seines Leiters verbunden, und die Führung eines Landestheaters ist eine schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, die eine genaue Kenntnis des Theaterwesens und der Theaterorganisation verlangt. Es muß beste Kunst geboten werden, und zwar vor allem ein wertvolles Schauspiel und eine gepflegte Oper, wie überhaupt der ganze Spielplan dem Niveau eines Staatstheaters entsprechen soll. An den deutschen Landestheatern wurden Operetten — die klassischen Werke ausgenommen — als kulturell wertlos, überhaupt nicht aufgeführt. Als wirtschaftliche Basis sind jedoch in erster Linie ein fester Besucherstamm (Abonnenten) und eine Organisation der Berufstätigen unbedingt erforderlich.

Wer Leiter eines Landestheaters sein oder werden will, muß deshalb die vollkommene Beherrschung der beiden wichtigen Kunstgattungen durch eine persönliche und er- folgreiche Betätigung in führender Stellung nachweisen können. Nicht minder wichtig sind jedoch auch die verwaltungsmäßigen und kaufmännischen Kenntnisse, die ein derartiger Betrieb verlangt, dessen Leiter Künstler und Verwaltungsbeamter in einer Person sein muß. In Deutschland hatte er, zum Unterschied von dem Privattheaterdirektor, als Behördenangestellter die Dienstbezeichnung Intendant.

Leider schien bei uns nach Kriegsende für eine solche Stellung das, was man gemeinhin als Befähigungsnachweis bezeichnet, so gut wie gänzlich überflüssig gewesen zu sein. Daher konnte es zum Beispiel kommen, daß man in einem Lande einen Balletttänzer, nur weil er an der Staatsoper in Wien tätig gewesen war, den Aufbau einer reinen Schauspielbühne anvertraute, und in einem anderen Bundeslande wurde ein ehemaliger, wenig erfolgreicher Operettentenor als Intendant eingesetzt. Beide erwiesen sich auch für die Leitung einer Bühne als völlig ungeeignet. An den Aufbau eines Landestheaters, wie es sein soll, wurde überhaupt nicht gedacht und der Spielplan in der Hauptsache auf den Geschmack der breiten Masse eingestellt. Die gute Konjunktur der Nachkriegszeit ließ über alles hinwegsehen und statt wertvollstes Kulturgut zu vermitteln, dominierte wieder, wie vor 1938, der ödeste Operettenkitsch aus den letzten Jahrzehnten, mit den „geistvollen" und

„volksbildenden“ Balkanmilieus und im „musikalischen Österreich“,. wie wir uns immer nennen, hörte man in den Kunstinstituten der Länder endlich wieder die musikalischen Meisterwerke: „Was kann der Sigismund dafür, daß er so schön ist!“ oder „Die Mädis, die Mädis vom Chantant" ind sonstige „slawische“ oder „ungarische“ Klänge. Unsummen wurden für die Ausstattung dieser Machwerke hinausgeworfen, während die wenigen Opern und Klassiker, die zur Aufführung gelangten, im wahrsten Sinne des Wortes stiefmütterlich behandelt wurden. Das Publikum wurde durch fortwährende Gastspiele verwöhnt und die kulturelle Mission verschiedener Landestheater erstreckte sich sogar auf „Kunstturnen“, Vorträge von Zitherklubs, Rätselsendungen und ab und zu auf eine Modenschau!

Das künstlerische Ergebnis dieser gemeinnützigen Theater in den letzten vier Jahren darf deshalb wohl als nicht sehr bedeutend bezeichnet werden. Als Gewinn wäre nur zu buchen, daß die Theaterangestellten im Gegensatz zu früheren Zeiten, statt für nur sechs Monate, nunmehr ganzjährig verpflichtet werden.

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