Keine Angst vor Handwerks-Bildung

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Erlerne zuerst Dein Handwerk. Es wird Dich nicht davon abhalten, ein Genie zu sein." Diese bedenkenswerte Weisheit wird dem französischen Maler Eugène Delacroix zugeschrieben. Sie dient als Leitmotiv einer aktuellen Ausstellung im Wiener MAK zum Thema "Handwerk".

Gerade die mit Digitalisierung vertraute Generation scheint ja eine neue Vorliebe für liebevoll in Kleinserie erzeugte Produkte zu entwickeln - vom "Craft Beer" über allerlei Designerstücke aus den Sechzigerjahren bis zum wiederbelebten "Do it yourself" in Gestalt des aus den USA importierten "Maker Movement". Diesem Interesse kommt Museumsdirektor Christoph Thun-Hohenstein entgegen. Sein optimistisches Credo: Würden alle digital vernetzten Menschen ihr Leben mit der Sorgfalt und dem Anspruch von gutem Handwerkertum gestalten, bräuchten wir die Digitale Moderne nicht zu fürchten.

Vielleicht trägt seine Initiative auch dazu bei, den gesellschaftlichen Stellenwert jener unverzichtbaren Berufe zu erhöhen, die das Funktionieren unseres Alltags sicherstellen. Während nämlich globale Luxus-Marken in ihrer Werbung gezielt auf Handwerk als Qualitätsmerkmal setzen, kämpfen lokale Handwerker um Anerkennung und vernünftige Bezahlung. Ihr Sozialprestige ist vielfach so gering, dass jeder Anreiz verlorengeht, sich auf Basis-Berufe einzulassen, die auch ohne akademischen Abschluss hohes Können erfordern. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich vor diesem Hintergrund für eine qualifizierte fachliche Berufsausbildung, während alle Arten von Studiengängen mit oft ungewissen beruflichen Einstiegschancen geradezu überrannt werden. Unsere so aufgeregte Bildungsdiskussion hat gerade hier einen riesigen blinden Fleck.

Getrennte Welten von Kopf und Hand

Auch die hitzige Debatte um eine Reform der Gewerbeordnung erzeugte ja den falschen Eindruck, eine weitgehende Abschaffung der Meister-Pflicht wäre ein Befreiungsschlag. Dabei zeigt das Beispiel Deutschlands, wo man vor zwölf Jahren einen Großteil der Lehrberufe aufgegeben hatte, dass diese falsch verstandene "Entrümpelung" nicht nur zu vielfach sinkender Qualität der erbrachten Leistungen, sondern vor allem auch zu einem drastischen Rückgang der Ausbildungsverhältnisse geführt hat. Die Schere zwischen den gar nicht Ausgebildeten und den "höher" Qualifizierten klafft seither noch weiter auseinander.

Die mit diesem Jahr in Österreich eingeführte Ausbildungspflicht bis zum achtzehnten Lebensjahr bietet nun eine Chance, die bildungspolitische Schieflage einer Über-Akademisierung zu korrigieren. Kombinierte, duale Ausbildungswege könnten durch neue Angebote angereichert werden, die die künstlich getrennten Welten von Kopf und Hand einander wieder näher bringen. Wir sollten durch die gleichwertige Förderung von Studium und Meister-Ausbildung jenen jungen Menschen sozialen Rückenwind geben, die sich für einen praxisbezogenen Berufsweg entscheiden. Sie sollten nicht weiter fürchten müssen, mit dieser Weichenstellung von einem genialen Leben abgehalten zu werden.

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