Vernünftigkeit des Glaubens
Als eine Studentin in meinem Seminar "Einführung in Christentum und Islam“ die Bedeutung der Auferstehung Jesu nach seiner Kreuzigung für das Christentum hervorhob, stand ein muslimischer Student auf und sagte: "Wir waren nicht dabei und keiner hat gesehen, wie Jesus auferstanden ist. Wie kann Gott von uns erwarten, an eine Religion zu glauben, die auf so einen Mythos basiert? Das wäre unfair von Gott. Das wäre eine Überforderung für uns, wir erleben heute nirgends Menschen, die von den Toten auferstehen.“ Ein anderer entgegnete: "Der Islam basiert aber auch auf dem Glauben, dass der Koran Mohammed durch den Engel Gabriel offenbart wurde. Wir waren auch nicht dabei und können uns heute auch nicht vorstellen, wie ein Engel direkt mit einem Menschen spricht und ihm ein Buch verkündet. Daran zu glauben ist genauso eine Überforderung für uns.“ In der Tat ist die Wiederauferstehung für Christen ein zentraler Glaubensinhalt, genauso ist der Glaube an den göttlichen Ursprung des Korans und seine Verkündigung durch den Engel Gabriel ein zentraler Glaubensinhalt im Islam.
Warum sind aber gerade die zentralen Glaubensinhalte der Religionen so herausfordernd? Liegt es nicht im Interesse Gottes, dass Menschen einen möglichst leichten Zugang zur Religion haben? Warum setzen aber dann Religionen eine gewisse Bereitschaft für die Hinnahme ihrer Inhalte voraus, auch wenn diese nicht rational nachvollziehbar sind? Viele Muslime argumentieren da, Gott wolle den Menschen dadurch prüfen, ob er glaubt oder nicht. Aber wäre dies nicht niederträchtig von Gott, den Menschen vor so eine Prüfung zu stellen? Denn einerseits gibt er dem Menschen eine Vernunft, die alles ablehnt, was rational nicht nachvollziehen ist, andererseits erwartet er vom Menschen, an Dinge zu glauben, die er eben nicht nachvollziehen kann …
Der Autor ist Prof. f. Islam. Religionspädagogik an der Uni Münster
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