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Zur Eröffnung des großen Opernhauses auf dem Ring

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Im Herbst des nächsten Jahres soll bekanntlich das neue, alte Haus eröffnet werden. „Fidelio" und „Don Giovanni", „Die Frau ohne1 Schatten" und „Der Rosenkavalier", eine Wagner- und eine Verdi-Oper werden voraussichtlich während der ersten festlichen Eröffnungswoche aufgeführt, und der neue Operndirektor hat auch schon bekanntgegeben, welche Dirigenten er für die einzelnen Werke einzuladen gedenkt. Damit ist ein imposantes, der großen Tradition des Hauses würdiges Programm entworfen.

Damit aber zum „Glanz von innen" auch der Glanz nach außen kommt und das Interesse der internationalen musikalischen Welt auf das festliche Ereignis gelenkt wird, müßte vielleicht noch etwas anderes geschehen. Wir meinen, man sollte zu — oder aus — diesem Anlaß einen Kompositionsauftrag für ein neues Opernwerk vergeben oder einen Wettbewerb veranstalten, wodurch die Verbindung der Staatsoper mit der lebendigen Gegenwart bezeugt und dokumentiert würde.

Während der vergangenen 20 Jahre — wenn wir nur diesen Zeitraum ins Auge fassen — hat sich die Wiener Staatsoper mehr durch reproduktive Glanzleistungen als durch schöpferische Beiträge zum Musiktheater der Gegenwart ausgezeichnet. In den letzten beiden Dezennien gab es hier folgende Uraufführungen:

1934 „Giuditta" von Lehar und „Das Veilchen" von Bittner;

1935 „Dame im Traum" von Salmhofer;

1937 „Die Sühne" von J. W. Traunfels, „Die fremde Frau“ von Marco Frank und „Wallenstein" von J. Weinberger;

1938 „Iwan Tarassenko" von Salmhofer;

1941 „Johanna Balk" von R. Wagner-Regeny.

Und nach 1945, seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebes im Theater an der Wien und in der Volksoper, fanden überhaupt keine Opern-Uraufführ ungen statt.

Betrachtet man diese Liste genauer und bedenkt ferner, daß von den fünf Opern Hans Pfitzrters keine einzige, von den zwölf Opern von Richard Strauss nur „Die Frau ohne Schatten" in Wien uraufgeführt wurde, so erscheint als der einzige wesentliche, wenn auch umstrittene Beitrag zum Opernschaffen der Gegenwart das zuletzt genannte Werk. Das ist, auch vom konservativsten Standpunkt, etwas zuwenig. Und hier, so meinen wir, wäre eine Lücke zu schließen und — mit dem Einzug ins neue Haus — ein neuer Weg zu erproben.

Tritt man diesem Proiekt einen Schritt näher und faßt man die schöpferischen Musiker Oesterreichs ins Auge, so ergibt sich folgendes Bild: die Opernkomponisten der älteren Generation, die als repräsentativ gelten können Kienzl, Bittner, Schreker, Franz Schmidt, sind tot. Unter den jüngeren sehen wir im Augenblick — außer Gottfried von Einem — keinen, der sich als Opernkomponist bereits bewährt hat. So empfiehlt sich wahrscheinlich -— „der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe" — ein internationales Preisausschreiben oder ein Kompositionsauftrag an einen bereits anerkannten deutschen oder ausländischen Meister. In die engere Wahl kämen etwa Honegger, Hindemith, Martin, Strawinsky, Egk, Orff, Dallapiccola und einige andere. Entschließt man sich dazu, so wäre die Jury aus anerkannten Opernfachleuten zu bilden, unter denen natürlich der neue Operndirektor und etwa der Regisseur O. F. Schuh nicht fehlen dürften. Riskiert man den Versuch, den Kompositionsauftrag an einen jüngeren Musiker zu vergeben, so könnten einige der genannten Opernkomponisten in die Jury gebeten werden. Wettbewerbe und Preisausschreiben führen meist nicht zu dem erhofften Ergebnis. Doch möge auch dieser Weg, zu einem neuen Opernwerk zu kommen — vielleicht in Verbindung mit dem österreichischen Staatsförderungspreis für Musik — erwogen werden.

Sollte der Zeitraum von etwa 18 Monaten sich als zu knapp erweisen, so könnte der Kompositionsauftrag nicht zur, sondern anläßlich der Eröffnung des großen Hauses erteilt werden. Vielleicht ist es auch möglich, einen österreichischen Dramatiker zur Schaffung eines Operntextes anzuregen und mit einem bedeutenden Komponisten zusammenzubringen. Gelänge es, auf diese Weise in den Besitz eines geeigneten und repräsentativen neuen Opernwerks zu kommen, so wäre damit nachdrücklich demonstriert, daß die Wiener Staatsoper nicht nur ein großes Erbe verwaltet, sondern auch maßgeblich am zeitgenössischen Musikgeschehen beteiligt ist.

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