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Bonns Verteidigungskonzept

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Es wird noch geraume Zeit dauern, bis die deutsche Verteidigungspolitik ins Lot kommt. Die Auseinandersetzungen zwischen Kiesinger und

Schröder waren nur ein Vorgefecht. Um die Frage, wer von beiden recht behält, wird noch lange, versteckt und offen, gerungen werden. Unmittelbar, nachdem der erste Pulverdampf verraucht ist, gehen die Beurteilungen über den Sieger in der ersten Runde noch auseinander. Doch meint die Mehrzahl der Beobachter, die Runde sei eher an Schröder als an Kiesinger gegangen.

Der verbissene Kampf hat natürlich1 seine personellen Schlagseiten. Schrödet hat, als Erhard abtreten mußte, sich als den vorbestimmten Nachfolger des Kanzlers angesehen. Daß er es nicht wurde, hat er noch nicht verwunden. Fraglos mit einer gewissen Trotzreaktion ging er daraufhin, wie man in den deutschen Zeitungen geschrieben hat, auf Tauchstation. Er ließ lange kaum etwas von sich hören. Aber wer Schröder näher kannte, wußte, daß er deswegen seine politische Karriere längst nicht abgeschrieben hatte. In den Kabinettssitzungen ließen gelegentliche ironische Bemerkungen spüren, daß er auf seinen Augenblick wartete.

Alte Feindschaft rostet nicht

Der andere Mitspieler in dem Schauspiel war Franz Josef Strauß. Als Bundesfinanzminister hat er die höchst unpopuläre Ausgabe übernommen, die schwer angekränkelten Finanzen des Bundes wieder in Ordnung zu bringen. Bei dieser Herkulesarbeit hat er sich dem sozialdemokratischen Wirtschaftminister Schiller an die Seite gestellt, zu inbrünstig, wie manche seiner Parteifreunde meinen. Aber zusammen mit Schiller nahm er die beherrschende Stellung ein, als es darum ging, durch rigorose Streichungen und sonstige Eingriffe den Bundeshaushalt vorerst wieder einigermaßen auf den Leisten zu schlagen. Kaum ein anderer wie Strauß, der ehemalige Verteidigungsminister, hätte auch dekretieren können, daß der Verteidiguingshausha'lt ebenfalls nicht ungeschoren bleiben dürfe. So befand sich Strauß unversehens in der Lage, seinem alten Widersacher Schröder in dessen Ressort hineinzumanövrieren.

Geführt wurde der Kampf zunächst so gut wie ausschließlich unter dem Schlagwort, Sparen sei das Gebot der Stunde. Im Grunde war das reine Bonner Kirchturms-politik, denn bei der Diskussion auf diesem Geleise kam geradezu zwangsläufig die Kardinalfrage zu kurz. In der Tat mußte auch auf die Bundeswehr der Grundsatz angewendet werden, daß dort, wo nichts ist, auch der Kaiser sein Recht verloren hat. Auch für sie kann nur so viel Geld verfügbar gemacht werden, wie sich mit äußerster Mühe zusammenkratzen läßt. Aber wie ließ sich dieser Grundsatz im Hinblick auf die Politik vertreten, die bekanntlich bis dahin von Bonn verfolgt worden war?

Bonns lästige Fragen

Seit Jahr und Tag war der Leitsatz der Bonner Politik auch in der NATO gewesen, an der Demarkationslinie zwischen Bundesrepublik und Ostdeutschland werde das Schicksal Europas verteidigt. Schon Adenauer hatte jahrelang, wie aus seinen Erinnerungen hervorgeht, seinen amerikanischen Freund Foster Dulles immer wieder mit der Frage verfolgt, die USA würden doch nicht etwa eines Tages ihr Interesse an der deutschen Frage, an Europa verlieren und ihre Truppen aus Europa abziehen. Seitdem haben die Bonner diese Frage den Vereinigten Staaten wieder und wieder gestellt, so häufig, daß die Amerikaner ihren Überdruß oftmals nicht mehr verbergen konnten. In den letzten Jahren wurde dieses Fragen immer zudringlicher. Als schließlich kein Zweifel mehr sein konnte, daß die Verdünnung der amerikanischen und britischen Truppen Wirklichkeit werden würde, waren die Deutschen in ein lautes Jammern ausgebrochen. Und nun? Kaum waren im Kabinett die Streichungen des Bundeshaushaltes beschlossen worden, da bewog das Verteidigungsministerium das Auswärtige Amt zu einem Runderlaß, in dem gesagt wurde, die Konsequenz der Streichungen sei eine Verringerung der deutschen Truppenstärke um 60.000 Mann. Kiesinger hatte, als er dies erfuhr, nichts Eiligeres zu tun, als zu veranlassen, daß diese Mitteilung an die verbündeten Regierungen nicht weitergeleitet wurde.

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