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Das Haus Habsburg im Taschenformat

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Das Haus Habsburg. Die Geschichte einer europäischen Dynastie. Von Adam Wandruszka. Verlag für Geschichte und Politik, Wien. 226 Seiten mit 10 Bildern und 3 Stammtafeln. Preis 74 S

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Das Haus Habsburg. Die Geschichte einer europäischen Dynastie. Von Adam Wandruszka. Verlag für Geschichte und Politik, Wien. 226 Seiten mit 10 Bildern und 3 Stammtafeln. Preis 74 S

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Zu den erfreulichsten Tatsachen der Nachkriegszeit gehört der Fortschritt, den das österreichische Staatsbewußtsein in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen hat. Allerdings treten hierbei manchmal Begleiterscheinungen auf, die auf den Fernstehenden befremdend wirken müssen, und dazu gehört auf historischem Gebiet nur zu oft der Drang, alles, was im Laufe der Geschichte jemals mit dem Namen Oesterreich in Berührung gestanden hat, für den nationalen Staatsbegriff, so wie er heute durch die Bundesrepublik repräsentiert wird, zu reklamieren. Hier klärend und berichtigend einzugreifen ist Pflicht des Historikers. Adam Wandruszka kommt mit seinem neuen Buch über die Habsburger dieser Verpflichtung weitgehend nach. Hier wird für einen breiten Leserkreis in einem auch für unsere gehetzte Zeit noch durchaus faßbaren Umfang einmal plastisch die zweifache Bedeutung des Begriffes „Oesterreich“ auseinandergesetzt. Einmal in der Bedeutung als Bezeichnung für das Land, den Herrschaftsbereich, und dann in der Bedeutung des „Hauses Oesterreich“, wie sich die Habsburger vom 14. Jahrhundert herauf mit vollem Rechte nannten. Denn die Herrschaft dieses Geschlechtes war nicht etwa nur eine Episode in der Geschichte unserer Heimat, wie die anderer, großer Adelsfamilien, sondern sie hat wesentlich zur strukturellen Bildung Oesterreichs beigetragen. Durch sie wurden Kräfte mobilisiert und für die Erkämpfung einer Großmachtstellung eingesetzt, die das Land Oesterreich allein aufzubringen niemals imstande gewesen wäre. Sie waren das tragende Element der mitteleuropäischen Ordnung. Nicht die Integrität der rund 84 000 Quadratkilometer des heutigen Oesterreichs erschien Palacki „im Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst“ zu liegen, sondern der Bestand der Monarchie, wie sie durch die lahrhunderte verkörpert war in der „Casa de Austria“, in der „maison d'Autriche“, im „Haus Oesterreich“. Dieses schien ihm der einzige Schutz gegen „das unabsehbare und unnennbare Uebel einer Universalmonarchie Rußlands“, nämlich als Haus und Hort für die kleinen, in Mitteleuropa lebenden Völker.

Dies alles im Taschenbuchformat darzustellen ist nicht leicht. Das erfordert große Kenntnis und viel wissenschaftliche Disziplin. Als ehemaliger Schüler Heinrich v. Srbiks und Mitglied des „Instituts für österreichische Geschichtsforschung“ waren beim Autor die Voraussetzungen wohl gegeben. In einem sehr angenehmen und flüssigen Stil (man empfindet dankbar die Verbindung von Historiker und Journalist) versteht er es, aus dem schier unbegrenzten Stoff die leitenden Ideen und die bleibenden Charakterzüge herauszuschälen, und mit der Sicherheit, die nur dem Fachmann eigen- ist, zeichnet er den Weg der Habsburger vom mittelalterlichen Grafengeschlecht über das Herrscherhaus des österreichischen Barocks zur „bürgerlichen“ Familie des 20. Jahrhunderts. Mag sein, daß der Spezialist diese oder jene ihm wichtig erscheinende Einzelheit vermißt, mag sein, daß er dieses oder jenes um eine Nuance anders sieht; das alles ändert nichts an der Tatsache, daß dem Autor das Wagnis gelungen ist, auf 226 Seiten ein lebendiges Bild der Habsburger zu geben. Wenn er im Vorwort seines Buches den Wunsch ausspricht, „zwischen den Untiefen der Oberflächlichkeit und unzulässiger Verallgemeinerung und den Klippen der Detailanhäufung den richtigen Kurs zu finden“, so sei ihm bestätigt: Der Kurs ist gut. Und man kann ihm nur wünschen: Weiterhin glückliche Fahrt!

Wenn das Salz schal wird. Von N. Narokow. Styria-Verlag, Graz. 404 Seiten. Preis 79.50 S.

Das wichtige Buch zur richtigen Zeit! Roman? Bericht? Phantasie? Wirklichkeit? Uebertreibung? Verharmlosung? Was in diesem Buche steht, ist so neu, daß man seinen Inhalt beinahe nicht glauben kann — aber es handelt sich dabei um eine so alte Sache, daß man sich selbst darüber wundert, daß man seinen Inhalt nicht schon längst gewußt hat...

Das schalwerdende Salz sind nicht die lauen Christen diesmal. Es sind die russischen Bolschewisten. Kommunismus war einmal eine Lehre. Die Kommunisten sind die Praktiker dieser Theorie. Aber dann kamen die Bolschewisten mit dem NKWD und jetzt ist das Ganze nur noch eine Methode: inhalt- und zweckloser Weg mit der Gewalt um der Gewalt willen. Es geht um gar nichts mehr als um die Gewalt, die einer gerade in Händen hält, bevor sie ihm ein anderer gewaltsam wegnimmt. Diese Gewalt baut nicht und nichts als sich selbst. Sie lebt von sich selbst und erhält sich so. Man wäre fast erleichtert, wenn man sagen könnte, daß die jeweiligen Gewalthaber besessen wären und man die Dämonen spürte. Aber es sind nur Menschen am Werk, ganz unmenschlich sind sie am unmenschlichen Werk, plansollmäßig zu morden. Steckt vielleicht der „Mörder von Anbeginn“ dahinter, so hat er sich sehr geschickt versteckt hinter — nichts. Und doch wird er nicht sichtbar. — Hoffnung wird negativ sichtbar: daß gerade diese nichtende und vernichtende Methode sich selbst an der eigenen Unsinnigkeit totläuft. Denn trotz allem: es sind Menschen, diese Maschine, dieser totale Automatismus der Gewalt — und da gibt es bei jedem doch irgendeinmal das „Sandkorn, das alles verdirbt“ (wie Molnär es nannte); die „Gnade“, welche die Maschine verdirbt. Was einmal Salz des Kommunismus war, ist schal geworden und wird zertreten. Von wem? Von sich selbst. — Gewalthaber wie Geknechtete in diesem Buche sind lebendige Menschen, mit denen man mitleidet. Fasziniert von der ersten bis zur letzten Seite folgt man Narokow durch die Qualen eines sinnlosen Lebens und — hofft I Daß soviel Wirklichkeit in einer Dichtung stehen kann, daß Dichtung soviel Wirklichkeit vermitteln kann, das gelingt nur einem Meister, den wir gern unter die großen russischen Meister der Literatur einreihen werden, selbst wenn Narokow niemals wieder ein Werk veröffentlichen sollte.

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