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Der Sieg des 19. Jahrhunderts

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Nun also ist der Konflikt endgültig bereinigt. Die Aussetzung des neunten Mittelschuljahres ist perfekt. Die ÖVP sonnt sich, gerade unter ihrem Neuling am Minoritenplatz einen der spektakulärsten Siege der letzten Zeit errungen zu haben. Nun, wer nicht viele Siege zu verzeichnen hat, ist auch schon mit einem kleinen Reitergefecht zufrieden. Der Ritt der Regierungspartei ging über einen Parcour mit Hindernissen. Und einer der Vorreiter, Unterrichtsminister Piffl, mußte vom Pferd. Nicht allein der Hindernisse wegen, sondern vor allem wegen der Heckenschützen, die ihn vom Rennbahnrand fleißig mit Pfeilen beschossen.

Der „Umfaller“ der SPÖ macht klar, daß die Parteiführung auch nicht annähernd den nötigen politischen Kotitakit mit ihren Ländern besitzt. Sonst hätte die Panne der SPÖ nicht eintreten können.

Mag nun der Piffl-Bericht, der nocr immer im Parlament liegt und Ausgangspunkt der Diskussion über das neunte Schuljahr war, in seinen Schlußfolgerungen auch falsch gewesen sein, wenn er die Durchführbarkeit des neunten Jahres feststellte: klar bleibt, daß im Pingpong zwischen Ministerialbürokratie und Professorenschaft die Schüler auf der Strecke bleiben werden. Und eine Bildung, die zu erweitern Sinn und Zweck der Schulgesetze 1962 gewesen ist.

Die Sieger sollten nicht allzu froh sein. Ihr Sieg ist mit billigen Argumenten erfochten. Denn es ist schon so: die Aussetzung (und möglicherweise sogar Abschaffung) des neunten Mittelschuljahires ist ein Sieg des 19. über das 20. Jahrhundert. Bleibt nur ein Lichtblick: man hat jetzt noch fünf Jahre Zeit. Zeit, die nicht ebenso verstreichen darf wie die Zeit seit den Schulgesetzen.

..Grenz

TW leidet an zwei „Grene“~Proble-men. Das eine ist die Brennergrenze, und diese Wunde wird wohl nie verheilen, und das andere ist die Zil-lergrenze. Das kleine FMißchen Ziller ist nämlich die Grenze zwischen dem Bistum Innsbruck und dem Erzbistum Salzburg. Das alte Erzistift reicht über seine Dandesgrenzen hinaus in das schöne Land Tirol. Die Grenze ist uralt, denn die Ziller war schon der Grenzfluß zwischen zwei römischen Provinzen. Das Erzbistum Salzburg war einstmals das - größte Bistum Österreichs, ihm unterstand nicht nur Salzburg, sondern auch Steiermark und Kärnten und das kleine Stück Tirol bis zur Zitier. Von allen seinen ausländischen Besitzungen ist ihm nur noch dieses kleine Stück geblieben. Und bildet einen Dorn im Auge der Tiroler. Schon als die Verhandlungen über die Errichtung eines Bistums Feidkirch liefen, rnuwkelte man von Gerüchten, daß die Diözese Innsbruck nur bereit sei, auf Vorarlberg zu verzichten, wenn sie dafür den Tiroler Anteil der Sailzburger Erzdiözese bekäme. Die Gerüchte erwiesen sich als nicht richtig, aber die Abdankung des Bischofs Rohracher benützte die Tiroler Landesregierung, um für ihr Bisitum dieses Stück zu „erobern“.

Kaiser Josef brachte den Grundsatz auf, daß Bistumsgrenzen und Landesgrenzen soweit aus möglich übereinstimmen sollten. Der Grundsatz war nicht schlecht, nur darf man die Beifügung „soweit als möglich“ nicht vergessen. Würde der Grundsatz, dem die Tiroler huldigen, rigoros durchgeführt werden, dann müßte'die Erzdiözese Wien auf ihren niederösterreichischen Anteil verzichten. Und sie würde sich dagegen ebenso wehren, wie sich jetzt das Salzburger Domkapitel gegenüber dem Tiroler Anspruch wehrte. Es gibt in der Kirche heute wirklich wichtigere Dinge zu tun ata aus „nationalen“ Gründen Diözesan-grenzen zu verschieben. Außerdem sollte man nicht über den Kopf der Bewohner dieses Salzburger Teils hinweg verfügen, wer weiß, ob sie nicht bei Salzburg bleiben wollen?

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