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Die Bedeutung der Angestellten

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In allen modernen Industrieländern wächst die Zahl der Angestellten. Auch die funktionelle Rolle, die sie im Wirtschaftsleben spielen, ist von kaum zu überschätzender Bedeutung. Nicht von ungefähr erscheinen in letzter Zeit, vor allem im englischen, skandinavischen und deutschen Sprachbereich, auffallend viele Bücher über das Thema: Die Angestellten in der Gesellschaft von heute.

Der vierte Gewerkschaftstag der österreichischen Privatangestellten, der Anfang November in Wien stattfand, wurde daher in der Öffentlichkeit besonders beachtet. Dreißig ausländische Gäste waren zu dieser Tagung gekommen, deren Vorsitzender, Nationalrat Friedrich H i 1 -1 e g e i s t, gleichzeitig Präsident des Internationalen Bundes der Privatangestellten ist. Zwei Mitglieder der Bundesregierung, die Minister Dr. Bock und P r o k s c h, unterstrichen in ihren Begrüßungsreden die große Bedeutung der Angestellten für das wirtschaftliche und soziale Leben Oesterreichs. Besonders beachtet wurden die Ansprachen des Präsidenten der christlichen Angestellten-Internationale de Witt und des Generalsekretärs des Internationalen Bundes der Privatangestellten K i s s e 1. Aus diesen beiden Reden ging hervor, wie groß die gemeinsamen Interessen sind, die christliche und freigewerkschaftliche Angestelltengewerkschaftler miteinander verbinden.

Linter dem stürmischen Beifall der Delegierten teilte Nationalrat Hillegeist dem Gewerkschaftstag mit: Das Ziel der kürzlich begonnenen Werbeaktion: 200.000 gewerkschaftlich organisierte Privatangestellte, konnte nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten werden. In diesem Erfolg spiegelt sich das Vertrauen wider, das breite Schichten der Angestelltenschaft, ungeachtet ihrer parteipolitischen oder weltanschaulichen Orientierung, zur Gewerkschaft der Privatangestellten haben.

Es ist gelungen, 423 Kollektivverträge abzuschließen, die die gehaltlichen und arbeitsrechtlichen Verhältnisse von über 300.000 Angestellten regeln. In fast allen Kollektivverträgen ist ein Urlaubsbeitrag, meist in der Höhe eines Monatsgehalts, verankert. Um dieses „vierzehnte Gehalt“ mußte ein besonders harter und zäher Kampf geführt werden. In vielen Angestelltengruppen ist es gelungen, auf gehaltspolitischem Gebiet dem Grundsatz des seinerzeit beschlossenen Aktionsprogramms: Echte Leistungsgehälter auf der Basis eines existenzsichernden Anfangsgehaltes nahezukommen. Ueber 37 Millionen Schilling konnten bei den Arbeitsgerichten und Einigungsämtern für Mitglieder erstritten werden.

Die kommenden Aufgaben und Ziele nahmen bei den Beratungen des Gewerkschaftstages einen breiten Raum ein. In einer Entschließung zur Wirtschaftspolitik wird die Erhaltung der Vollbeschäftigung als das zentrale Problem bezeichnet. Die Wirtschaft soll in den Dienst einer verstärkten Bedarfsdeckung gestellt werden. Die große Zukunftsaufgabe der Gewerkschaft ist es, einen stärkeren Einfluß als bisher auf das Wirtschaftsleben zu nehmen.

In einer Erklärung zur brennend aktuellen Frage der Arbeitszeitverkürzung heißt es unter anderem: „Der Gewerkschaftstag unterstützt alle Bemühungen zur Erreichung des Zieles der allgemeinen 40stündigen Wochenarbeitszeit und stellt sich daher auch geschlossen hinter die Bestrebungen des Sozialministeriums zur Schaffung des neuen Arbeitszeitgesetzes.“ Der Versuch, zunächst eine kollektivvertragliche Regelung über die 45-Stunden-Woche zu erreichen, wird begrüßt.

In einer weiteren Entschließung wird eine Verbesserung der Gehälter der Privatangestellten unter stärkster Berücksichtigung des Leistungsprinzips verlangt. Die Tatsache, daß qualifizierte Fachkräfte aus der Privatwirtschaft in großer Zahl ins Ausland abwandern, sollte die Unternehmer der Privatwirtschaft veranlassen, ihre engherzige Fölitik in dieser Frage aufzugeben.

In ausführlichen Entschließungen zur Lage der Pensions- und Krankenversicherung verlangt der Gewerkschaftstag die finanzielle Sicherung dieser sozialen Einrichtungen, wobei mehr als bisher auf die besonderen Bedürfnisse der Angestellten Rücksicht zu nehmen ist.

Ob diese berechtigten Forderungen erfüllt werden, hängt nicht zuletzt von den Angestellten selbst ab. Ein Angestellter, der nicht Gewerkschaftsmitglied ist, schädigt sich selbst und seine Berufskollegen.

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